In Mannheim ist heute die größte Flusswärmepumpe Deutschlands in Betrieb genommen worden. Das „Reallabor“-Projekt könnte den Startschuss für einen künftigen Rollout der effizienten Technologie zur Nutzung der Flusswärme für die „grüne“ Versorgung von Fernwärmenetzen darstellen. Nicht nur das Bundeswirtschaftsministerium legt große Hoffnungen auf die Technologie als Grundlage für eine effiziente Dekarbonisierung der Fernwärme. (Nachweis für Beitragsbild: ContextCrew)
Die MVV-Flusswärmepumpe ist mit einer thermischen Leistung von 20 Megawatt aktuell in Deutschland die größte in ein Fernwärmenetz integrierte Wärmepumpe und eine der größten Anlagen dieser Art in Europa. Die Anlage nutzt die vorhandene Kühlwasserinfrastruktur des GKM zur Entnahme von rund 700 Litern Rheinwasser pro Sekunde.
Das Flusswasser des Rheins wird im Sommer in Mannheim bis zu 25 °C warm, wie die MVV berichtet. Im Winter sind es nur etwa 5 °C. Diese Wärmeenergie reicht aus, um das Kältemittel in der Wärmepumpe zu verdampfen und dabei das entnommene Rheinwasser um 2 bis 5 °C abzukühlen. Der Kältemitteldampf wird dann mithilfe eines strombetriebenen Verdichters komprimiert, damit Druck und Temperatur steigen.
Flusswasserwärme wird verdichtet und erwärmt Fernheizwasser auf bis zu 99 °C
Die erzeugte Wärme des Kältemitteldampfs wird durch Kondensation in einem Wärmetauscher auf das Fernheizwasser übertragen. Auf diese Weise kann 83 bis 99 °C warmes Wasser erreicht werden. Die Wärme wird dann in den Fernwärmespeicher oder direkt in das Netz eingespeist. Das Kältemittel verflüssigt sich wieder und wird im Wärmetauscher des Flusswassers entspannt. Dabei kühlt es sich ab und nimmt zu Beginn des neuen Kreislaufs wieder Wärmeenergie des Flusswassers auf.
Gebaut wurde die MVV-Flusswärmepumpe von Siemens Energy in Schweden, die Anlieferung nach Mannheim erfolgte per LKW. „Großwärmepumpen wie die in Mannheim machen Wärme aus Gewässern oder industrieller Abwärme auch für Fernwärmenetze nutzbar. Mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben, kann diese Technologie insbesondere in städtischen Räumen ein wichtiger Hebel für die Wärmewende sein“, sagte Vanessa Bauch, Leiterin Dezentrale Energieerzeugung bei Siemens Energy bei der Inbetriebnahme.
Bis 2030 soll Mannheimer Fernwärme CO2-frei bereitgestellt werden
Neben Mannheim profitieren auch die Nachbarstädte Heidelberg, Schwetzingen, Brühl, Ketsch und Speyer von der umweltfreundlichen Fernwärme. Mit der Großwärmepumpe, welche die Grosskraftwerk Mannheim AG (GKM) für MVV in die Infrastruktur des Großkraftwerks integriert hat und betreibt, werden ab sofort 3.500 Haushalte mit Wärme aus dem Rheinwasser versorgt. Damit spart die neue Anlage nach MVV-Angaben jährlich rund 10.000 Tonnen CO2 ein.
„Bis 2030 werden wir unsere Fernwärme in Mannheim und der Region vollständig aus klimafreundlichen Energiequellen erzeugen“, betonte MVV-Vorstandschef Georg Müller. Gleichzeitig werde das Fernwärmenetz kontinuierlich erweitert und vorhandene Fernwärmegebiete verdichtet.
Walker: Technologie im Land an vielen Flüssen, aber auch am Bodensee nutzbar
Neben Müller und Bauch kamen unter anderem auch die baden-württembergische Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) und Christian Maaß, Abteilungsleiter II für Wärme, Wasserstoff und Effizienz im Bundeswirtschaftsministerium zur feierlichen Inbetriebnahme. „Das MVV-Projekt zeigt, dass die Wärmepumpen-Technologie auch im XXL-Format zur klimaneutralen Versorgung ganzer Stadtviertel funktioniert“, sagte Walker. Die Flusswärmepumpe sei für Baden-Württemberg ein wichtiger Baustein, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen Schritt für Schritt zu reduzieren. Ein Einsatz sei im Land an vielen Flüssen, aber auch am Bodensee möglich. Sie freue sich, dass die MVV Energie AG eine Vorreiterrolle einnehme und die Integration der Technologie nun an einem bestehenden Kraftwerksstandort demonstriere.
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Die MVV-Flusswärmepumpe ist eines von fünf geförderten Reallabors „Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen“, die derzeit an verschiedenen Standorten in Deutschland mit unterschiedlichen Umweltwärmequellen installiert werden. „Reallabore bringen neue Technologien und innovative Lösungen schnell und sicher in die Anwendung“, sagte BMWK-Abteilungsleiter Maaß. Gleichzeitig zeigten sie, wie Innovationen in Zukunft rechtlich, technisch oder auch ökonomisch geregelt werden sollten, damit sie möglichst systemdienlich in bestehende Strom- und Wärmenetze eingebunden werden. „Die MVV-Flusswärmepumpe ist ein erfolgreiches Beispiel für die Transformation in der Wärmeversorgung und zeigt, welche Rolle Großwärmepumpen in Zukunft in grünen Wärmenetzen spielen können.“
Maaß betont wichtige Rolle der Fernwärme als Erfüllungsoption für das GEG
Maaß betonte auch die Bedeutung der grünen Fernwärme im Kontext des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Die Wärmewende sei für den Bund aktuell eines der vordringlichsten Themen. Die Fernwärme biete eine große Chance für Endverbraucher. Wenn Nutzer wissen, dass die Fernwärme verfügbar und ein Anschluss in zehn Jahren möglich sein wird, sei dies eine wichtige Erfüllungsoption, bei der niemand Angst vor der Umsetzung des GEG haben müsse. Gerade in den großen Ballungsräumen sei die Fernwärme eine Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung, da sie unterschiedlichste „grüne“ Quellen berücksichtigen könne.
Maaß, aber auch Walker und Müller betonten, dass für die grüne Fernwärme unterschiedliche Technologien benötigt würden. Um die Wärmewende voranzutreiben, investiere MVV in ein breites Portfolio erneuerbarer Erzeugungsoptionen, führte Müller aus. In Mannheim folgt auf die Anbindung der Abfallverwertung von MVV im Jahr 2020 und der MVV-Flusswärmepumpe in diesem Jahr als nächster Schritt die Inbetriebnahme eine Klärschlammbehandlungsanlage. 2024 wird MVV zudem ihr Biomassekraftwerk an das Fernwärmenetz anschließen. Hinzu kämen weitere grüne Optionen wie Tiefengeothermie, zusätzliche Flusswärmepumpen, Biomethananlagen, Elektrodenkessel oder die Nutzung weiterer industrieller Abwärme.
Auch Müllverbrennung, Biomasse und Klärschlamm grüne Fernwärmeoptionen
Auch Walker verwies auf die Potenziale von Müllverbrennung, Biomasse oder Klärschlammverbrennung, die alle genutzt werden müssten. „Wir können keine dieser Optionen links liegen lassen.“ Es gehe um ein gutes Gesamtsystem. Die Chancen des Fernwärmenetzes lägen dabei auch in der Bereitstellung von Flexibilität für das Energiesystem der Zukunft.
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