Die bioconstruct GmbH aus Melle startet im November 2023 mit dem Bau von sechs Windenergieanlagen in Bösel-West im niedersächsischen Wendland. Der 40-MW-Windpark soll nach seiner Fertigstellung rund 80 GWh Strom pro Jahr erzeugen, berichtet das Unternehmen. Die bioconstruct-Gruppe ist bei dem Projekt sowohl Entwickler, Hauptinvestor, Bauunternehmer als auch Betriebsführer. Die gesamte Investitionssumme für die Errichtung der Windenergieanlagen des Typs Nordex N163.X mit 164m Nabenhöhe und je 6,8 MW Leistung beläuft sich auf etwa 70 Mio. €. (Beitragsbild: Nordex Delta 4000 N149 in Wennerstorf / Bildquelle: bioconstruct)
Das Projekt zeigt beispielhaft die vielfältigen Herausforderungen, mit denen Windenergieprojektierer konfrontiert sind. Bereits im Jahr 2015 begann die Flächensicherung für das Vorhaben, die anschließende Regionalplanung verzögerte sich dann jedoch, sodass die Flächen erst 2019 für den Windenergieausbau ausgewiesen wurden. Dann folgte ein aufwändiger Genehmigungsprozess. Im Ergebnis wird es von der Flächensicherung bis zur endgültigen Inbetriebnahme voraussichtlich zehn Jahre dauern.
Das Areal für den Windpark erstreckt sich über die Gemeinden Lüchow und Wustrow. Insbesondere die geplante Höhe der Anlagen von annähernd 250 Metern sei anfangs vielerorts auf Skepsis gestoßen. „Diese Höhe ist jedoch erforderlich, um alle Belange der Anwohner in Bezug auf Schattenwurf und Schall sowie den umfangreichen Artenschutz durch Abschaltungen und Nachtdrosselungen zu berücksichtigen“, betont bioconstruct. Ein ausreichender Abstand zu den umliegenden Siedlungen (1.000 Meter) und Einzelhöfen (600 Meter) werde ebenfalls eingehalten. Außerdem werden ca. 30 Hektar Ausgleichsflächen für den Schutz von Kiebitzen, Rotmilanen, Feldlerchen und weiteren Singvögeln geschaffen.
Schattenwurf durch Abschaltautomatik auf 30 Stunden im Jahr begrenzt
Der Schattenwurf wird den Angaben zufolge durch eine Abschaltautomatik auf 30 Stunden pro Jahr begrenzt und der Schallgrenzwert von 45db(A) nachts durch eine reduzierte Fahrweise eingehalten. Weitere Abschaltungen sind tagsüber in der Brutzeit des in dem Areal angesiedelten Rotmilans und in der Abenddämmerung für Fledermäuse notwendig. All diese Einbußen von 15 bis 20 Prozent des Ertrags müssten durch höhere Stromerträge kompensiert werden. Und diese höheren Erträge seien nur in großen Nabenhöhen über 200m zu erzielen. „Mittlerweile stellen Windkraftanlagen von über 200 Metern Höhe die Norm dar. Ich bin sehr glücklich, dass wir schon vor 5 Jahren mit dieser seinerzeit unvorstellbaren Höhe geplant haben“, sagt Unternehmenschef Henrik Borgmeyer.
Eine Besonderheit im Wendland stellen zudem die historischen Rundlingsdörfer dar, die in der Nähe des Windparks liegen. Für diese Dörfer läuft ein Antrag auf Ernennung zum Weltkulturerbe. bioconstruct ließ über mehrere Jahre umfangreiche Gutachten und Fotomontagen erstellen, um nachzuweisen, dass die Windräder nicht von den Dorfplätzen in der Mitte dieser Dörfer zu sehen sein werden. Mit Erbringung aller erforderlichen Nachweise habe der Genehmigung zur Errichtung des Windparks nichts mehr im Wege gestanden, sie erfolgte im Februar 2023. Nach der Berücksichtigung aller Widerspruchsfristen und Verzögerungen aufgrund teilweise längerer Lieferzeiten für benötigte Komponenten kann der Baubeginn nun im November 2023 erfolgen.
Kommunen erhalten Erlösbeteiligung – auch Bürger und Grundstückseigentümer profitieren
„Wir freuen uns, dass die beiden Kommunen Lüchow und Wustrow voll hinter unserem Projekt stehen und wir damit den Ausbau erneuerbarer Energien gemeinsam weiter vorantreiben können“, sagt Borgmeyer. Die Kommunen im Umkreis von 2,5 km um den Windpark profitierten dabei finanziell von der Stromproduktion des Windparks. Sie erhalten eine Erlösbeteiligung von 0,2 ct/kWh und können dieses Geld frei für Projekte in den Gemeinden einsetzen. Bei einer geplanten Jahresproduktion entspricht das einem jährlichen Betrag von mindestens 150.000 € für die Kommunen.
Auch die Bürger aus Lüchow und Wustrow haben die Möglichkeit, sich am Windpark zu beteiligen. Die erfolgt in Form eines im kommenden Jahr beginnenden Crowdfundings, bei dem vorrangig Bürgerinnen und Bürger aus dem Wendland der Projektgesellschaft ein Darlehen zwischen 500 und 10.000 € zu einem festen Zinssatz geben können und damit direkt an den Erlösen des Windparks partizipieren. Darüber hinaus könnten sich alle beteiligten Grundstückseigentümer am Windpark beteiligen. „Durch die Beteiligung der Kommunen, der Grundstückseigentümer und der Bürgerinnen und Bürger wird aus einem gewöhnlichen Windpark ein Bürgerwindpark. Aus unserer Sicht ist das der richtige Weg“, so Borgmeyer weiter. Das übrige erforderliche Eigenkapital wird aus dem Kreis der bioconstruct-Unternehmensgruppe zur Verfügung gestellt.
Lieferzeiten für Umspannwerk haben sich drastisch verlängert
Mit Baubeginn muss nun eine Menge bewegt werden. Zum Start wird zunächst mit dem Wegebau und dem Bau von Kranstellflächen, Fundamenten und Kabeltrassen begonnen. Um den gewonnenen Strom dann 5 km westlich von Lüchow in das 110 kV-Netz einzuspeisen, muss ein Umspannwerk errichtet werden. „Aufgrund von starker Nachfrage haben sich die Lieferzeiten für das Umspannwerk leider drastisch verlängert, sodass wir dieses erst im Dezember 2024 in Betrieb nehmen können. Somit findet die endgültige Inbetriebnahme der Windkraftanlagen erst im Mai 2025 statt“, berichtet bioconstruct-Projektleiter Christian Schierbaum. Henrik Borgmeyer rechnet auch aufgrund des „Booms“ bei der Errichtung von Windenergie- und Solaranlagen mit generell längeren Bauzeiten. „Wir hoffen nur, dass wir aufgrund des aktuellen Rückenwinds aus Berlin nie wieder für ein Projekt 8 Jahre Planungszeit benötigen“, unterstreicht Borgmeyer.
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