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Energiewoche 11/2025

Energie und Klima als Unterpunkte von Wirtschaft: Wohin steuert die nächste Regierung?

Nun liegen sie also vor, die Ergebnisse der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD. Es ist zwar noch ein weiter Weg bis zu einer neuen Regierung und einem Koalitionsvertrag, erste Grundlagen sind aber nun vorhanden. Für die Erneuerbare-Energien-Branche zeichnet sich ab, dass zumindest auf dem Papier kein Grund für allzu große Sorgen besteht, die nächste Bundesregierung könne massiv auf die Bremse treten, was den Ausbau der regenerativen Energien angeht. Allerdings gibt es noch vergleichsweise wenig Konkretes – und das Thema Energie ist – ebenso wie der Klimaschutz – in der Verständigung der Sondierer ein Unterpunkt von „Wirtschaft“. Auch weist der BDEW darauf hin, dass der Wärmebereich offenbar „komplett vergessen“ wurde.

Was aus dem Sondierungspapier letztlich wird, ist gegenwärtig schwer abschätzbar. Die Grünen haben zunächst ihre Zustimmung zum Sondervermögen nicht erteilt, sie zweifeln am investitionsorientierten Einsatz der 500 Mrd. Euro, wenn stattdessen Umschichtungen im regulären Haushalt zur Finanzierung von Wahlversprechen ohne Investitionswirkung vorgenommen werden. Die Gespräche mit der Union laufen, den Grünen ist es wichtig, dass klimawirksame Investitionen in die Infrastruktur nicht nur auf dem Papier stehen.

Klimaschutz und Wirtschaft kein Widerspruch

Die Erneuerbare-Energien-Branche und weite Teile der gesamten Energiebranche haben immer wieder darauf hingewiesen, dass grüne Energien und Klimaschutz auf der einen Seite und dynamisches ökonomisches Handeln der Volkswirtschaft keinen Widerspruch darstellen. Vielmehr sind die wirtschaftlichen Schäden eines verschleppten Klimaschutzes deutlich höher als die Kosten einer wirksamen Transformation.

Die Erneuerbare-Energien-Branche weist zudem mit gewachsenem Selbstbewusstsein auf die eigene Bedeutung für den Wirtschaftsstandort hin. Längst ist die Branche ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit mehr als 400.000 Arbeitsplätzen. Diese Zahlen dürften sich in den kommenden Jahren deutlich erhöhen, wie aktuelle Analysen nahelegen. Mit einer davon beschäftigen wir uns auf dem Titel von Ausgabe 11.2025 von ContextCrew Neue Energie. Sie zeigt, dass sich zwischen 2019 und 2024 der Anteil der Online-Stellenanzeigen mit Bezug zur Energiewende verdoppelt hat. „Das entspricht einem Zuwachs von etwa 173.000 ausgeschriebenen Stellen auf 372.500“, heißt es in der Analyse, wobei das Wachstum nicht nur auf die Erneuerbaren, sondern auch auf die komplementären Infrastrukturen zurückzuführen ist. Insbesondere das Thema Netze zieht immer mehr Fachpersonal an.

 

Ein Jobmotor ist und bleibt auch die Bioenergie, die in Deutschland seit Jahren rund 100.000 Stellen schafft. Auch hier zeigt sich eine Verdopplung der Stellenanzeigen, die in eine Zeit fällt, in der die Rahmenbedingungen für die Biomassenutzung „alles andere als gut waren“, wie das Hauptstadtbüro Bioenergie betont. Im Stromsektor ziele die politische Strategie auf den Ausbau der flexiblen Kapazitäten bei etwa gleichbleibender Strommenge ab, ordnet das Hauptstattbüro Bioenergie die Trends ein. „Umso erstaunlicher ist es, dass die Anzahl der Stellenangebote in der Bioenergiebranche stark zunahm.“

Bioenergiebranche nach Vorlage von Sondierungspapier optimistisch

Neben der gestiegenen Nachfrage nach Holzpellet-Heizungen liege dies mutmaßlich auch daran, dass Bioenergieanlagen – mehr als Wind- und Solaranlagen – auch im laufenden Betrieb Arbeitsplätze generierten. Die Anlagen müssten „gefüttert“ werden, die Substrate und Sortimente vorher erzeugt und später in den Kreislauf zurückgeführt werden. Zudem werden viele Anlagen aktuell flexibilisiert, d.h. zusätzliche Kraftwerke aufgestellt und Speicher erweitert. Der Großteil der dabei anfallenden Arbeiten werde von regionalen Unternehmen geleistet.

Tatsächlich könnten sich die Rahmenbedingungen für die Bioenergie mit dem Regierungswechsel verbessern. Das Ergebnispapier der Sondierungen betont, dass „alle Potenziale der erneuerbaren Energien“ genutzt werden sollen. Dazu gehöre neben dem netzdienlichen Ausbau von Sonnen- und Windenergie u.a. auch der Ausbau von Bioenergie. „Die Ankündigung, die Stromerzeugung aus Bioenergie in der neuen Legislaturperiode weiter auszubauen, ist ein sehr guter Start in die Koalitionsverhandlungen. Damit wird direkt eine Maßnahme aus dem ‚Bezahlbare-Energie-Aktionsplan‘ aus dem Clean Industrial Deal adressiert, der einen Ausbau von Biogas/Biomethan fordert, um unabhängiger von Gasimporten zu werden,“ kommentiert Sandra Rostek, Leiterin des HBB, die Sondierungsergebnisse. „Bei dieser vagen Ankündigung darf es jedoch nicht bleiben. Vielmehr muss das Potential der Bioenergie auch im Wärme- und Verkehrsbereich adressiert werden. Der große Handlungsbedarf bei der Bioenergie sollte im Koalitionsvertrag explizit benannt und konkrete Maßnahmen festgehalten werden.“

BEE hält angekündigten Neubau von 20 GW Gaskraftwerken für zu umfassend…

Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßt die Festlegung ausdrücklich, dass alle Erneuerbaren Potenziale und die von Speichern genutzt werden sollen, um die Energiewende zu beschleunigen. „Die Erzeugerflexibilität aus Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie und grüner Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in Verbindung mit Speicher- und Verbraucherflexibilität flankieren den weiteren Ausbau der kostengünstigen Wind- und Solarenergie“, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter.

Mit Skepsis betrachtet der BEE dagegen den Neubau von 20 GW Gaskraftwerken an bestehenden Standorten. „Flexibilität muss das Leitprinzip des neuen Strommarkts werden, das schafft ein dezentrales Backup besser.” Es sei wichtig, dass Kraftwerke auch einen Beitrag dazu leisten müssen, Redispatchmengen zu senken. „Es braucht hier eine praxisnahe Diskussion unter Einbeziehung der Übertragungsnetzbetreiber und mindestens ein Mitbieten der Erneuerbaren und Speicher auf Augenhöhe“, so die BEE-Präsidentin.

…VKU hält Neubau von 20 GW Gaskraftwerken für das absolute Minimum

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßt dagegen, dass der Bau von neuen Gaskraftwerken angereizt werden und diese vorrangig an bestehenden Kraftwerksstandorten entstehen sollen. Zur Absicherung der Energiewende seien die vorgesehenen 20 GW an Kraftwerksleistung aus Verbandssicht aber „das absolute Minimum“. In einem aktuellen Positionspapier formuliert der VKU Forderungen in Richtung einer „Revision“ des aktuellen Pfads der Energiewende in Deutschland. Da der Stromverbrauch weniger stark steige als von der Bundesregierung prognostiziert, ergebe sich Möglichkeit „den Fokus nunmehr auf eine deutlich stärkere Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Beibehaltung des Ziels von 80 Prozent erneuerbarem Anteil am Bruttostromverbrauch 2030 zu legen“.