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Energiewoche 45/2024

Streit über Kosten der Energiewende: Teurer wird es nicht mit, sondern ohne Erneuerbare

Der Ampelstreit lässt in der Erneuerbaren-Branche die Sorgen wachsen, wie es mit der Energiewende in Deutschland weitergehen soll. Ein Papier von Finanzminister Christian Lindner (FDP) liest sich wie eine Abrechnung mit der Politik der Bundesregierung, der er selbst angehört, eine weitere Zerreißprobe der Regierungskoalition steht an. Das Bundeswirtschaftsministerium hat seinerseits eine neue Version der EEG/EnWG-Novelle mit 350 Seiten vorgelegt. Die Energieverbände haben gerade erst die Vorversion bewertet.

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist eines der größten Risiken, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangsamen. „Ein schleppender Ausbau der Erneuerbaren würde die Abhängigkeit von globalen Importen deutlich erhöhen“, halten Wissenschaftler der Forschungszentrums Jülich in einer aktuellen Analyse fest. In einer Systemanalyse bewerten sie, wie Europa das Ziel der Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 effizient erreichen kann. Dies tun sie technologieoffen. Eines der Ergebnisse: Kernkraft wird nur eine Rolle spielen, wenn die Investitionskosten deutlich sinken. Und: Wenn der Ausbau der Erneuerbaren verschleppt wird, dann wird deutlich mehr grüner Wasserstoff von außerhalb Europas importiert werden müssen.

Im Lindner-Papier wird davon gesprochen, dass die EEG-Förderung mittlerweile „untragbare finanzielle Dimensionen“ erreicht habe. Tatsächlich rechnen die ÜNB in ihrer Mittelfristprognose damit, dass die EEG-Differenzkosten bis 2029 von 19,5 Mrd. € im laufenden Jahr auf 23,0 Mrd. € steigen könnten. Allerdings werden der Prognose zufolge dann 380,3 TWh Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt nach rund 249,3 TWh im laufenden Jahr. Der mittlere Förderbetrag von Strom aus erneuerbaren Energien würde damit von heute 7,8 ct/kWh auf 6,0 ct/kWh sinken. Das entspräche einem Minus von 22,7 Prozent.

Richtig ist, dass es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien allein nicht getan ist. Es geht darum, Flexibilitäten für das Energiesystem bereitzustellen, die es künftig ermöglichen, das systematische Auseinanderfallen von Angebot und Nachfrage am Strommarkt aufzufangen. Dabei ist insbesondere auch die Sicherheit und Stabilität des Netzbetriebs, etwa durch Bereitstellung von Blindleistung, zu gewährleisten. Für die Netzbetreiber wird das Management des Energiesystems komplexer, gleichzeitig wächst die Zahl und Verfügbarkeit von Flexibilitäten. Zu diesen Flexibilitäten könnten auch Elektroautos gehören, insbesondere dann, wenn sie ihren Strom im Rahmen des bidirektionalen Ladens zurück ins Netz speisen können. Eine neue Studie zeigt, dass die Kosten des Energiesystems im Europa durch die Nutzung von Vehicle-to-Grid jährlich um bis zu 22 Mrd. € günstiger werden könnte.