Die Fachverbände der Bioenergie- und der Windenergiebranche zeigen sich angesichts der jüngsten Ausschreibungsergebnisse besorgt. „Die starke Unterzeichnung der zweiten Ausschreibungsrunde für Biomasseanlagen unterstreicht erneut die seit Jahren von der Branche kritisierte fehlende Perspektive für einen Weiterbetrieb und mangelnde Anreize für die Flexibilisierung und Biomethan im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)“, sagt Sandra Rostek, die Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie. Für den Bundesverband Windenergie (BWE) dokumentieren die Ausschreibungsergebnisse „besonders im Süden Deutschlands politisches Versagen“. (Quelle für Beitragsbild: eyewave/stock.adobe.com)
Starke Kostensteigerungen sowie große Unsicherheiten bezüglich der langfristigen politischen Ausgestaltung seien die bestimmenden Treiber der deutlichen Zurückhaltung, „während das EEG gleichzeitig kaum noch die Funktion eines Sicherheitsnetzes nach unten erfüllt“, sagt Rostek. Hierüber könnten auch die momentan guten Strommarkterlöse bei einigen Marktakteuren nicht hinwegtäuschen. Auf Basis der Schwankungen am Strommarkt sei keine langfristige Planung möglich. „Die Anschlussperspektiven des Anlagenparks sind nach wie vor akut gefährdet.“ Nicht nachvollziehbar sei zudem, dass trotz fehlender Beteiligung der Wettbewerb durch die endogene Mengensteuerung zusätzlich verschärft werde und damit zukunftsfähige Konzepte ausgeschlossen werden.
Nachdem die zweite Ausschreibung für Biomethananlagen so gut wie ungenutzt geblieben ist, rechnet das Hauptstadtbüro mit keiner Änderung. Die Ausweitung der Ausschreibungsvolumina auf 600 MW pro Jahr im kommenden Jahr helfe hier nicht. „Die dann geplante Fokussierung des Einsatzes von Biomethan in sogenannten Peakern bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Vor-Ort Verstromung ist ein politischer Irrweg und wird die Situation noch verschärfen“, sagt Rostek. Planungssicherheit könnten nur kostenangepasste Gebotshöchstwerte und marktgerechte Anreize bieten. „Dies gilt es auch bei der Festlegung möglicher Erlösobergrenzen für Biomasseanlagen zu beachten, die gleich einem weiteren Damoklesschwert über der Branche schweben.“
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Für die Windenergiebranche macht BWE-Präsident Hermann Albers darauf aufmerksam. dass das mögliche Volumen in den Ausschreibungen nur zu rund 58,5 Prozent gefüllt wurde. „Der dringend notwendige Zubau gerät so auf eine schiefe Bahn. Um künftige Ausschreibungsrunden wieder auszufüllen, muss der aktuelle Ausschreibungsrahmen dringend an die Marktentwicklungen und den Deutschen Industriepreisindex angepasst werden“, fordert Albers. Corona-Pandemie und der russische Angriff auf die Ukraine hätten zu massiven Preis- und Zinssteigerungen geführt. „Angesichts dieser Kostenexplosion entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist der ausgeschriebene Höchstwert keine solide Basis für den Abschluss von Projekten.“
Niedrige Zuschlagswerte bieten keine Umsetzungsgarantie
Laut einer Erhebung der Fachagentur Windenergie an Land lagen im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich 25,7 Monate zwischen Zuschlag und Inbetriebnahme. „Auch angesichts dessen bieten die niedrigen Zuschlagswerte keine Umsetzungsgarantie mehr.“
„Die fehlenden Projekte im verbrauchsstarken Süden – die wir seit Jahren beklagen – vergrößern die dort erkennbare Stromlücke weiter“, sagt der BWE-Präsident. „Dass die dort verantwortlichen Landesregierungen hier nicht längst aktiv werden, ist inzwischen nur noch als politisches Versagen zu bewerten.“ Um die fossile Energiekrise zu überwinden, brauche es den schnellen Zubau an Erneuerbaren Energien – insbesondere beim „Leistungsträger Wind“. Gegenwärtig warten laut BWE Projekte mit mehr als 10.000 Megawatt Leistung noch immer auf die Entscheidung im Genehmigungsverfahren. „Diese Projekte müssen jetzt dringend noch bis Ende des Jahres entschieden zu werden, um das Volumen für das kommende Jahr zu erreichen.“
Für die anstehende Ausschreibung am 1. Dezember 2022 war ein Volumen von 1.190 Megawatt vorgesehen. Hierfür ständen formal ausreichend Genehmigungen bereit. Allerdings sei ohne eine Anpassung des Höchstwertes oder eine Indexierung von Zuschlägen in Verbindung mit der Option, diese rückwirkend anzupassen, die betriebswirtschaftliche Motivation für eine Teilnahme zweifelhaft. „Daher braucht es nun zügig ein Signal des Bundesgesetzgebers, das zu ausreichenden Teilnahmen und Umsetzungen führt“, fordert der BWE-Präsident.
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