Aus Sicht der Erneuerbare-Energien-Branche in Baden-Württemberg wecken die Koalitionsverhandlungen Hoffnungen. Beide Parteien hätten „ermutigende Signale für mehr Klimaschutz“ gesendet, heißt es bei der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (Plattform EE BW). Am 13. April 2021 starten im Rahmen der grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen die einzelnen Arbeitsgruppen.
Die Branche begrüßt beispielsweise, dass auf den Flächen des Landes und im Staatswald bis zu 1.000 neue Windräder gebaut werden sollen. Außerdem wurde eine Solarpflicht für alle privaten Neubauten und bei Renovierungen von Dächern angekündigt. „Ausschlaggebend für echte Erfolge wird jedoch sein, wie schnell und umfassend die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden und ob mit diesen und weiteren Schritten die Klimaziele erreicht werden können – auch was die Wärme- und Mobilitätswende angeht.“
Es sei erforderlich, dass der Ministerpräsident und alle relevanten Akteure in Kabinett und Regierungsfraktionen „ihre Verantwortung für den Klimaschutz wahrnehmen“. Das Umweltministerium allein werde die große Transformation des Landes auch in dieser Legislaturperiode nicht stemmen können. Um den Erneuerbaren-Ausbau voranzutreiben, brauche es insbesondere angehobene Treibhausgasreduktionsziele, ein umgestaltetes Planungsrecht, das zu mehr verfügbaren Flächen führt, und verkürzte Genehmigungsverfahren.
Ausweitung der Solarpflicht auf neue Wohngebäude und zu sanierende Dächer „längst überfällig“
„Das angekündigte Sofortprogramm für Klimaschutz und die Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes sind notwendige nächste Schritte für eine rasche Realisierung der Energiewende“, sagt der Plattform-Vorsitzender Jörg Dürr-Pucher. Das von den potenziellen Koalitionspartnern vorgesehene Ziel von 1.000 Windrädern auf Landesflächen etwa sei „ambitioniert“. Die möglichen Koalitionsparteien hätten für die von ihnen geplante Vergabeoffensive jedoch noch nicht festgelegt, bis wann wie viele Flächen rechtssicher ausgewiesen sein sollen. Eine solche innerhalb weniger Jahre erfolgreiche Vergabeoffensive wäre ein guter Beitrag zu dem von der Plattform EE BW als nötig erachteten Windausbauziel bis 2030 von 110 Anlagen pro Jahr mit je fünf MW installierter Leistung.
Die ebenfalls vereinbarte Ausweitung der Solarpflicht auf neue Wohngebäude und zu sanierende Dächer wird von der Erneuerbaren-Branche als „längst überfällig“ erachtet. Entscheidend für mehr Photovoltaik auf Dächern im Südwesten seien jedoch umfassende Regelungen für die Bestandsgebäude, um die von der Plattform geforderten 1.000 MW Zubau von Photovoltaikanlagen pro Jahr zu erreichen.
Flächenverfügbarkeit als Flaschenhals der Energiewende
Um den Bau von Wind- und Solarparks in allen Regionen Baden-Württembergs voranzubringen, wurde ein Mindest-Flächenziel von zwei Prozent der Landesfläche festgehalten. „Das Planungsrecht muss nun so gestaltet werden, dass alle Kommunen und Regionalverbände in Baden-Württemberg tatsächlich entsprechend geeignete Flächen für Erneuerbare bereitstellen“, sagt Positiv sagt Franz Pöter, Geschäftsführer der Plattform EE BW. Für große Solarthermie-Anlagen seien ortsnahe Flächen notwendig. Solar- und Windparks müssten zudem künftig auch in Grünzügen möglich sein.
Eine weitere große Hürde für die Energiewende ist die zunehmende Dauer von Genehmigungsverfahren. „Neben dem Vorschlag, sich auf Bundesebene für schnellere Gerichtsverfahren einzusetzen, sollte die Landesregierung auch Kommunen und Landkreise darin unterstützen, mehr Personal mit entsprechender fachlicher Spezialisierung in den jeweiligen Behörden einzustellen“, so Pöter weiter. Neben den vielen betroffenen Windprojekten gelte dies auch für die Nutzung der Erdwärme: Nur wenn die Kapazität des zuständigen Bergamtes beim Regierungspräsidium Freiburg massiv aufgestockt werde, sei die geplante Offensive zur tiefen Geothermie in Ansätzen vorstellbar. „Für den Erfolg der Energiewende im Land fordern wir klare Vereinbarungen und eine Ansage des Ministerpräsidenten und seines Stellvertreters an die Bremserinnen und Bremser in Regierungspräsidien, Landratsämtern und Regionalverbänden“, betont Dürr-Pucher.
Umsetzung der Wärmewende kommt in „entscheidende Phase“
Bei der Wärmewende sei das Sondierungsergebnis zu wenig ambitioniert, kritisiert die Erneuerbaren-Branche. In der Kommunalen Wärmeplanung werde der Wärmebedarf der Kommunen und die vor Ort möglichen Optionen zur Umstellung auf eine klimafreundliche Wärmeerzeugung dokumentiert. „Parallel zur Begleitung dieses Prozesses muss bereits jetzt die Umsetzung dieser Pläne durch entsprechende Förderprogramme des Landes finanziell unterstützt werden“, rät Dürr-Pucher. „Zudem sollte der Bau und Betrieb von Wärmenetzen endlich in den Katalog der kommunalen Daseinsvorsorge aufgenommen werden.“
Mit einer parallelen Verlegung von Wärmenetzen und Glasfaserkabeln könnten Kommunen die Energiewende auch gleich mit besseren Internetzugängen kombinieren. Vor allem im ländlichen Raum könnten viele Haushalte so schnelles Internet bekommen. „Aber auch der Ausstieg aus Ölheizungen, der verstärkte Einsatz von Biomethan und großen Wärmepumpen sollten durch ehrgeizige Ziele und passgenaue Förderprogramme beschleunigt werden“, heißt es weiter.
Ambitionierte Klimaziele und Ausbaupfade festlegen
In den Sondierungsverhandlungen hätten Grüne und CDU die dringend notwendige erneute Novellierung des Klimaschutzgesetzes in Aussicht gestellt. „Aus Sicht der Plattform EE BW muss das bisherige Minderungsziel von 42 Prozent an Treibhausgasemissionen bis 2030 auf deutlich über 50 Prozent angehoben werden.“ Um einen wirklich angemessenen Beitrag zur Erreichung des Pariser Abkommens zu leisten, seiner einer im vergangenen Jahr von der Plattform EE BW veröffentlichten Studie zufolge sogar über 60 Prozent Reduktion notwendig.
Nicht erwähnt wurde in dem Sondierungsergebnis eine intelligentere Kopplung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen. Elektrolyseure für grünen Wasserstoff mit Abwärmenutzung, große Wärmepumpen und Wärmespeicher in effizienten Wärmenetzen seien nur einige Stichworte, die bislang fehlten. „Wichtig ist das aus einem Grund: Nur durch eine intelligente Kopplung können wesentliche Anteile erneuerbarer Energien auf wirtschaftliche Art und Weise aus dem Stromsektor in die Sektoren Mobilität, Wärme und Industrie gebracht werden.“ (Beitragsbild: Windkraftanlage nahe Freudenstadt, Bildquelle: EUWID)
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