Der zunehmende Einsatz volatiler erneuerbarer Energien im Strombereich erfordert auch in Bayern mehr Flexibilität, sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Das geht aus einem Ergebnisbericht zum Erneuerbaren-Ausbau hervor, den eine Arbeitsgruppe jetzt im Rahmen des Energiegipfels Bayern 2019 vorgelegt hat.
Demnach sollte Bayern auf einen intelligenten Mix verschiedener Flexibilitätsoptionen setzen, der dazu beiträgt, die Lücke an gesicherter Leistung für Bayern nach dem Abschalten der Kernkraftwerke substantiell zu verringern und die erneuerbaren Energien stärker regional zu erzeugen und zu nutzen.
Wie es in dem Ergebnisbericht zum Thema „Nachfrage- und Angebotsflexibilitäten – insbesondere Speicher“ heißt, müssten die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen so weiterentwickelt werden, dass sich alle bestehenden Flexibilitätsoptionen in einem technologieoffenen Wettbewerb am Markt bewähren und gleichzeitig die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten minimiert werden.
Konkrete Handlungsempfehlungen liefert die Arbeitsgruppe zu den Themen Umlagen, Abgaben und Steuern, dezentrale Flexibilität im Verteilnetz, Digitalisierung, Speicher, Kraft-Wärme-Kooplung (KWK), Power-to-X (PtX) sowie Demand-Side-Management (DSM).
1. Umlagen, Abgaben und Steuern
Die Arbeitsgruppe regt an, die Signalfunktion des Strommarktes (über den Preis für Erzeugung und Vertrieb) sowie des Netzes (über die Netzentgelte) zu stärken, um die Erbringung von Flexibilität anzureizen. Die Wirkung der Preissignale werde derzeit zu stark abgeschwächt, weil sie durch derzeit starre Umlagen, Abgaben, Steuern und Netzentgelte überlagert werden und so nicht hinreichend beim Verbraucher ankommen.
Um diese verzerrende Wirkung zu verringern, sollte der Bund die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß senken.
2. Dezentrale Flexibilität im Verteilnetz
Laut dem Bericht hat die dezentrale Flexibilität im Verteilnetz eine hohe Bedeutung. Überwiegend an das Verteilnetz angebundene Prosumer und flexible Verbraucher gewinnen demnach zunehmend an Bedeutung, und über 95 Prozent der Erneuerbaren- und KWK-Anlagen speisen in das Verteilnetz ein – die Energiewende finde vor allem dezentral im Verteilnetz statt und der Bedarf an Flexibilitäten verlagere sich immer weiter auf die Verteilnetzebene. Die Rolle der Verteilnetzbetreiber sei entsprechend zu stärken, da sie eine immer größere Verantwortung übernehmen.
Um die volkswirtschaftlichen Kosten für die Stromnetze zu minimieren, sollte geprüft werden, ob die Netzentgeltsystematik ausreichend Anreize für ein netzdienliches Verhalten der Erzeuger und Verbraucher setzt. Bestehende Regelungen wie die Netzentgeltreduzierungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) oder in der Stromnetzentgeltverordnung (Lastreduktion bei Großabnehmern) müssten vor diesem Hintergrund überprüft und optimiert werden, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu gefährden.
Die Arbeitsgruppe fordert zudem Marktanreize für eine dezentrale Energiewende. Insbesondere sollten weitere Ausbaupotenziale durch eine angemessene Erweiterung der Eigenversorgungsmöglichkeiten gehoben werden. In diesem Zusammenhang sollten attraktive und unbürokratische Möglichkeiten für gemeinsame Stromerzeugung und Eigenversorgung geschaffen werden.
Auch seien die Voraussetzungen für neue Vermarktungsmöglichkeiten auf regionaler Ebene zu verbessern. Diese schafften nicht nur neue Absatzmöglichkeiten für Post-EEG-Anlagen, sondern könnten auch lokale Flexibilitäten in den Markt bringen.
3. Digitalisierung
Die Grundlage für intelligente und digitale Lösungen zur Flexibilisierung des Gesamtsystems bildet die digitale Anbindung und Vernetzung von intelligenten Betriebsmitteln, Verbrauchs-, Erzeugungs- und Speichereinheiten, weil nur so eine intelligente Steuerung von Verbrauchern/Lasten oder Erzeugungsanlagen ermöglicht wird, heißt es in dem Bericht.
Aus Sicht der Arbeitsgruppe sollten für diese Steuerung zunächst die technischen und regulatorischen Voraussetzungen (intelligentes Messsystem mit Steuerbox) geschaffen werden.
4. Speicher
Speicher sind laut dem Bericht ein zentrales Element der meisten Flexibilitätsoptionen, was nicht nur Stromspeicher (z.B. Pumpspeicherkraftwerke, Batteriespeicher), sondern auch die Speicherung von Zwischenprodukten in der Industrie (z.B. Metallschmelze), chemische Speicher (z.B. Wasserstoff, Methan) und thermische Speicher betrifft. Für den Einsatz weiterer erforderlicher Speicherkapazitäten seien zusätzliche wirtschaftliche Anreize zu prüfen, regulatorische Hemmnisse zu beseitigen und europäische Vorgaben zügig umzusetzen.
Beispielsweise werde mit dem 10.000-Häuser-Programm der Bayerischen Regierung schon jetzt der Ausbau verschiedener Arten von Speichern gefördert. Die geförderten Anlagen müssen dabei über geeignete Schnittstellen (Energiemanagementkomponenten) verfügen. Die Arbeitsgruppe regt an, diesen Ansatz in einem neuen Programmteil für netzdienliche Speicher in Kombination mit PV- bzw. KWK-Anlagen und optionalem Elektroladeanschluss noch weiter auszubauen.
5. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
Der netz- und systemdienliche Einsatz der hocheffizienten KWK benötigt verlässliche Rahmenbedingungen für einen weiteren Ausbau, heißt es in dem Bericht. Dazu zähle neben einer Verlängerung der Förderung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) bis 2030 auch, dass die EEG-Umlagereduzierung für KWK-Anlagen in Eigenversorgung auf Dauer rechtssicher ausgestaltet wird. Dafür sollte sich Bayerns Regierung beim Bund einsetzen.
Um den flexiblen Einsatz von KWK weiter anzureizen, sollten außerdem auf Bundes- wie auf Landesebene zusätzliche Mittel in die Forschung und Entwicklung von innovativen Projekten wie z.B. Wasserstoff-Blockheizkraftwerke oder Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung investiert werden.
6. Power-to-X (PtX)
Die PtX-Technologien (Elektrolyse, Methanisierung, Synthesen) sind laut dem Bericht technisch bereit für den Markthochlauf. Weitere Forschung sollte beispielsweise zur Effizienzsteigerung be-gleitend sichergestellt werden. Zeitlich befristete Umlagebefreiungen mit dem Ziel einer höheren Marktdurchdringung könnten den wirtschaftlichen Einsatz von PtX ebenso unterstützen.
Die Gasinfrastruktur könne in die Lage versetzt werden, Wasserstoff in vermehrtem Maße aufzunehmen. Für die notwendigen Anpassungen in den Gasnetzen seien die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen („H2 ready“).
7. Demand-Side-Management (DSM)
Damit eine freiwillige Marktteilnahme von DSM in Zukunft noch mehr angereizt wird, müssen die technischen und rechtlichen Randbedingungen für die Wirtschaftlichkeit verbessert und die regulatorische Anerkennung der Kosten gewährleistet werden, fordert die Arbeitsgruppe.
Eine verstärkte Umsetzung in der gewerblichen Wirtschaft sollte durch Informationskampagnen der Staatsregierung sowie als fester Bestandteil der Energieberatung und bei Energieeffizienznetzwerken unterstützt werden.