Das Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat einen Unterwasser-Energiespeicher entwickelt, der das Prinzip der Pumpspeicher-Kraftwerke auf den Meeresgrund überträgt. Windkraft wird dabei mit Wasserdruck in küstennahen Stromnetzen kombiniert. Das System StEnSea (Stored Energy in the Sea) überträgt das Funktionsprinzip der Pumpspeicher-Kraftwerke auf den Meeresboden. Das berichtet der Technologieanbieter ABB, der eine Schlüsselkomponente für das System beisteuert.
Herzstück des Systems StEnSea (Stored Energy in the Sea) sind hohle Betonkugeln, die mit Tauchpumpen ausgestattet sind und in einer Tiefe von 600 bis 800 Metern auf dem Meeresboden platziert werden. Die Kugeln dienen als Energiespeicher. Eine große Meerestiefe ist dabei entscheidend, weil der hohe Druck in dieser Tiefe eine effiziente Energiespeicherung ermöglicht. Die Technologie eignet sich daher besonders für Küstenregionen mit tiefen Gewässern, wie Norwegen, Portugal, die Ost- und Westküste der USA, Brasilien und Japan.
Konzept vergleichbar mit Pumpspeichern an Land
In einem aktuellen Projekt soll vor der kalifornischen Küste eine Betonkugel mit neun Metern Durchmesser verankert werden. Auf ihrer Oberseite befindet sich eine Öffnung, in die eine Pumpenturbineneinheit integriert ist. Soll Energie gespeichert werden, pumpt die Unterwassermotorpumpe das Wasser gegen den Druck des umgebenden Wassers aus der Kugel. Dadurch entsteht im Inneren der Kugel ein Vakuum, wobei die Energie als potenzielle Energie gespeichert wird. Die Unterwassermotorpumpe wird dafür mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne betrieben.
Steigt der Energiebedarf im Laufe des Tages, wird ein Ventil geöffnet und Wasser strömt in die Kugel hinein. Die integrierte Pumpe wird dadurch rückwärtslaufend als Turbine betrieben. Das einströmende Wasser treibt die Turbine in der Pumpe an und wandelt die kinetische Energie des Wassers in Strom um, der in das Stromnetz eingespeist wird, um die Nachfrage in Spitzenzeiten zu decken.

Strom erzeugen: Wasser strömt durch eine Turbine in die leere Kugel hinein und erzeugt über einen Generator Strom (Quelle: ABB)
Das Fraunhofer IEE arbeitet bei dem Projekt StEnSea mit dem US-amerikanischen Start-up Sperra zusammen, das sich auf den 3D-Betondruck für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert hat. Zweiter Partner ist Pleuger Industries (Pleuger), Hersteller von Unterwassermotorpumpen, einer Schlüsselkomponente der StEnSea-Kugelspeicher. Der Pumpenhersteller war von Anfang an an StEnSea beteiligt und hat mit einer speziell entwickelten Unterwassermotorpumpe zur Entwicklung des ersten Prototyps beigetragen.
„Das System ist in hohem Maße skalierbar und kann in verschiedenen Unterwasserumgebungen auf der ganzen Welt eingesetzt werden, einschließlich Offshore-Küstenregionen und tiefen künstlichen Seen wie geflutete Tagebaue“, sagt Edris Faez, Team Leader Engineering (R&D) bei Pleuger. Durch die Nutzung der vorhandenen Meerestiefe und des Drucks vermeide das StEnSea-System viele der geografischen und umweltbedingten Einschränkungen, denen herkömmliche Energiespeichertechnologien wie Batterien und Wasserkraft an Land ausgesetzt sind.
In einem Feldversuch mit einer 3-Meter-Kugel im Bodensee haben Forschende des Fraunhofer IEE im Jahr 2016 zusammen mit Partnern bereits nachgewiesen, dass das Konzept funktioniert. Bei dem Test wurde dessen Machbarkeit im realen Betrieb an einem Modell im Maßstab 1:10 in rund 100 Metern Wassertiefe überprüft. Nach dem erfolgreichen Test im Bodensee wird jetzt das System in großer Wassertiefe unter Offshore-Bedingungen getestet. Dazu wird das Projekt auf einen 9-Meter-Prototyp ausgeweitet, der 0,5 MW Strom in einer Tiefe von über 600 Metern erzeugen kann. Das nächste Ziel sind Kugeln mit 30 Metern Durchmesser.
ABB-Frequenzumrichter regelt Pump- und Generatorbetrieb
Ein rückspeisefähiges Single Drive-Schrankgerät ACS880-17 von ABB mit einer Nennleistung von 710 kW regelt in dem Projekt die Pumpen-Motor-Einheit von Pleuger. Der Pumpenhersteller und ABB haben in den letzten Jahren einige Projekte im Bereich Unterwassermotorpumpen durchgeführt, darunter auch das Bodensee-Projekt. Aufgrund der Erfolge bei diesem Projekt habe sich Pleuger auch beim aktuellen StEnSea-Projekt für ABB entschieden.
Der rückspeisefähige Frequenzumrichter arbeitet mit einer aktiven Einspeiseeinheit. Mit einem Vier-Quadranten-Antrieb könne über die Drehzahl und das Drehmoment die Richtung des Energieflusses geändert werden. Der ACS880-17 kann dadurch zum Regeln der Pumpe wie auch der Turbine im Generatorbetrieb eingesetzt werden. Über die Regelung der Drehzahl kann die Leistung des Kugelspeichers angepasst werden. Für den optimalen Pump- und Turbinenbetrieb können verschiedene Drehzahlen gefahren werden.
Die aktive Einspeiseeinheit ermöglicht einen Energiefluss in zwei Richtungen, erläutert ABB. Das bedeutet, dass der Frequenzumrichter aus dem Netz Antriebsenergie für die Pumpe beziehen kann, um die mit Meerwasser gefüllte Betonkugel leer zu pumpen. Im Turbinenbetrieb kann er Strom in das Netz zurückspeisen, wenn das Meerwasser wieder in die Kugel zurückfließt.
Frequenzumrichter verursacht nur sehr geringe Oberschwingungen
Der ACS880-17 habe neben der Energierückspeisung noch einen weiteren Vorteil gegenüber konventionellen Frequenzumrichtern: Dank der aktiven Einspeiseeinheit und eines integrierten Netzfilters erzeugt er nur sehr geringe Oberschwingungen. Verglichen mit konventionellen Frequenzumrichtern ist der Oberschwingungsgehalt um bis zu 97 Prozent niedriger. Nichtlineare elektrische Verbraucher, wie Frequenzumrichter, verursachen Oberschwingungen, die zu unerwünschten Verzerrungen der Spannung und des Stroms in den Netzen führen. Die Oberschwingungen können andere Verbraucher wie Motoren, Transformatoren und weitere elektrische Einrichtungen übermäßig aufheizen. Das erfordert eine zusätzliche Kühlung, sorgt für Energieverluste und kann schlimmstenfalls zu vorzeitigen Ausfällen führen. Der Frequenzumrichter wird auf einer schwimmenden Plattform installiert und über ein Kabel mit der Unterwassermotorpumpe verbunden.
Kalifornischer Unterwasserspeicher soll spätestens Ende 2026 Betrieb aufnehmen
Als Standort des Unterwasserspeichers wurde ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles (USA) ausgewählt. Das System soll spätestens Ende 2026 in Betrieb gehen. „Durch den Einsatz von Offshore-Energiespeichersystemen können wir viele der mit der herkömmlichen Pumpspeicherung verbundenen Probleme an Land vermeiden, wie zum Beispiel die Auswirkungen auf die Umwelt und Konflikte bei der Landnutzung“, sagt Pleuger-Experte Faez. Die Offshore-Lösung vermeide auch die Abhängigkeit von kritischen Materialien, die für die Batteriespeicherung benötigt werden.
Das weltweite Potenzial für unterseeische Pumpspeicher-Kraftwerke sei enorm, heißt es weiter. Mit einem geschätzten technischen Nettopotenzial von 75 TWh allein in US-Gewässern könnte die im Rahmen des StEnSea-Projekts entwickelte Technologie das Speicherpotenzial von Onshore-Systemen mit geschlossenem Kreislauf verdoppeln. Die Energie, die bei einem Mal Laden und Entladen einer 30-Meter-Kugel erzeugt wird, entspricht etwa dem Jahresbedarf von zehn Haushalten in Deutschland. Die Leistung der Kugel ist in etwa vergleichbar mit der Leistung einer großen Windenergieanlage.