Das von der FH Bielefeld initiierte internationale Forschungsprojekt „AI4DG“ untersucht, wie sich Schwankungen im Stromnetz durch fluktuierende erneuerbare Energien, aber auch Lastveränderungen durch die Elektromobilität lokal ausgleichen lassen. Dabei soll die Stromversorgung durch verteilte Künstliche Intelligenz zuverlässig und autonom gesteuert werden.
Im Oktober des vergangenen Jahres haben die beteiligten Wissenschaftler mit der Arbeit begonnen. Prof. Jens Haubrock vom Institut für Technische Energie-Systeme (ITES) betreut als Initiator und Leiter das Projekt AI4DG, in dem die Partner mit verschiedenen Schwerpunkten digital vernetzt zusammenarbeiten. Während von Haubrock und seiner auf Stromnetze spezialisierten Mitarbeiterin Katrin Schulte Idee, Initiative und Stromnetz-Expertise kommen, steuert die Université Grenoble Alpes das Know-how zur KI bei. Die Universität Bielefeld kümmert sich um das Edge Computing – den verteilten Einsatz der KI. Die Industriepartner Atos Worldgrid aus Frankreich und der Bereich „Innovation – Intelligente Netztechnik“ von Westfalen Weser Netz aus Deutschland unterstützen bei der Umsetzung im Feld.
„Edge Computing“: Erzeugung und Verbrauch werden dezentral verarbeitet und analysiert
KI wird heute zwar schon in Ansätzen zur Steuerung der Stromversorgung erforscht. Das Bielefelder Forschungsteam und seine französischen Kollegen verknüpfen die KI nun aber mit Edge Computing. „Edge Computing bedeutet, dass die Daten nicht zentral in der Cloud verarbeitet werden, sondern dezentral genau dort, wo sie erzeugt werden“, erläutert Timon Jungh. Der Biomechatroniker (MA) forscht in der Arbeitsgruppe von Prof. Ulrich Rückert am Citec (Center for Cognitive Interaction Technology) der Uni Bielefeld und promoviert wie Schulte im Projekt. „Das ist eine echte Innovation“, ergänzt Schulte. Sicherheit und Datenschutz würden mit dem Ansatz erhöht. Wenn eine dezentrale KI-Einheit ausfällt, könne eine andere sofort die Kontrolle übernehmen. „Und wenn die Daten nicht verschickt werden müssen, können sie unterwegs nicht verloren gehen oder gehackt werden“, heißt es. Ein weiterer Vorteil: „Die Daten können vor Ort mit geringerer Verzögerung verarbeitet werden“, sagt Jungh.
Bessere Prognosen können erstellt werden – Versorgung wird zuverlässiger
AI4DG sieht vor, dass die KI die Messdaten direkt in der Ortsnetzstation verarbeitet. „Wir setzten die Analysen der KI dann beispielsweise für Prognosen ein. Sie sollen den Verbrauch von einzelnen Haushalten vorhersagen oder die von PVs erzeugte Leistung“, führt Schulte aus. Je nachdem ließen sich dann Batterien in den Haushalten mit PVs netzdienlich steuern und die erzeugte Energie entweder speichern oder in das Netz einspeisen, sodass immer eine gleichbleibende Spannung vorhanden und die Stromversorgung gesichert ist sowie Überlastungen im Netz vermieden werden.
Vom Labor über das Feld bis hin zum marktfähigen Produkt
Zunächst optimieren die Forschenden ihr Steuerungssystem am Computer und im Labor. Mit einer speziellen Software wird als Simulation ein Stromnetz aufgebaut, die realen Daten dafür liefert Westfalen Weser Netz. Bestehen die Algorithmen die Tests, geht es ins Netz-Simulationslabor Smart Energy Applications (SEAp). Hier fließen echte Ströme, und das Steuerungssystem wird mit Hilfe verschiedener Hardware-Komponenten wie Batteriespeicher und elektronischen Lasten validiert. „Erst dann überprüfen wir unser System in einem Feldversuch im echten Stromnetz zusammen mit Westfalen Weser Netz“, so Schulte weiter. Im Erfolgsfall könnten die Industriepartner das System zu einem marktfähigen Produkt weiterentwickeln.
Kooperation mit Frankreich – europaweiter Nutzen angestrebt
AI4DG ist ein internationales Forschungsprojekt, das vom Bundesforschungsministerium im Rahmen des Programms für deutsch-französische Projekte zum Thema Künstliche Intelligenz mit insgesamt rund einer Mio. € gefördert wird – der FH fließen davon rund 200.000 € zu. „Durch die Kooperation mit Frankreich können verschiedene Verteilnetzstrukturen für eine Übertragbarkeit der KI-Methoden auf das europäische Energiesystem betrachtet werden“, sagt Haubrock. „Das wird die etablierten, nationalen KI-Strategien bereichern.“
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