Nachdem die Erdgaslieferungen aus der Pipeline Nord Stream I nur etwa 40 Prozent der Kapazität erreichen, schnürt die Bundesregierung ein weiteres Energiesicherungspaket. Dabei sollen auch die erneuerbaren Energien einen stärkeren Beitrag leisten, um Erdgas aus dem Strombereich zu verdrängen. „So soll insbesondere die Biogaserzeugung ausgeweitet werden, indem unter anderem die vorgegebenen jährliche Maximalproduktion der Anlagen ausgesetzt wird“, teilt das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) mit.
Damit rückt auch die Bioenergieerzeugung in den Instrumentenkasten zur Bewältigung der aktuellen Energiekrise. Lange Zeit hatte die Bundesregierung hier eine zurückhaltende Position eingenommen – zum Ärger der Branche, die seit Wochen auf die möglichen Beiträge von Biogas, Biomethan und Holzenergie gerade auch im Wärmebereich hinweist, der aktuell besonders von den Lieferengpässen im Gasbereich betroffen ist.
Auch im Bereich der Photovoltaik will die Bundesregierung bestehende Fesseln lockern. Damit Solaranlagen mehr Strom einspeisen können, sei angestrebt, die 70 Prozent-Kappungsregel für Bestandsanlagen zu streichen. Für Neuanlagen gilt das schon ab dem 1. Januar 2023. „Derartige Maßnahmen verlangen gesetzliche Änderungen, die eng innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden“, heißt es weiter.
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Das Energiesicherungspaket hat im Kern drei Elemente: Die Befüllung der Gasspeicher wird noch einmal gestärkt, der Erdgasverbrauch in der Stromerzeugung gesenkt sowie Effizienz- und Einsparmaßnahmen ausgeweitet. Die Maßnahmen sollen in den kommenden Wochen und nach der Sommerpause Schritt für Schritt in enger Abstimmung innerhalb der Bundesregierung umgesetzt.
Bioenergiebranche erfreut über jüngste Entwicklung
Das Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) begrüßt die jüngste Entwicklung. „Es ist ein mutmachendes und erfreuliches Signal aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die Biogasproduktion kurzfristig anheben zu wollen“, sagt HBB-Leiterin Sandra Rostek. Wie bereits in den vergangen Wochen „wiederholt betont“, könne und wolle die Bioenergiebranche durch eine kurzfristige Ausweitung ihrer Produktion die Situation auf dem Gasmarkt bereits im kommenden Winter entschärfen.
„Hierfür gilt es, wie bereits im Statement angeklungen, Begrenzungen für die Gas- und Stromproduktion zu beseitigen. Um möglichst viele Fesseln der Branche zu lösen, also die angesprochene maximale Leistungsfähigkeit zu ermöglichen, bedarf es vor allem Erleichterungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz sowie im Bau- und Genehmigungsrecht.“ Somit ließen sich kurzfristig etwa 20 Prozent Leistung im aktuellen Biogasanlagenbestand zusätzlich mobilisieren. Dies entspricht insgesamt 19 TWh Gas bzw. 7 TWh Strom zuzüglich Wärmeerzeugung.
„Deutschlands größter Gasschatz liegt nicht im Schiefergestein oder im Tagebau, sondern in seiner Biomasse.
Kurzfristigen Ersatz beim Gas hält auch BEE-Präsidentin Simone Peter vor allem bei der Bioenergie für möglich: „Deutschlands größter Gasschatz liegt nicht im Schiefergestein oder im Tagebau, sondern in seiner Biomasse.“ Biogasanlagen, Holzheizkraftwerke und andere Bioenergieanlagen erzeugten gegenwärtig etwa 50 TWh Strom und 132 TWh Wärme. „Viele dieser Anlagen sind zeitnah in der Lage, ihre Strom-, Wärme- und/oder Gasproduktion zu erhöhen. Das schont die Gasspeicher und sorgt dafür, dass wir weniger Gas- und Kohlekraftwerke und erst recht keine Atomkraftwerke benötigen“, so Peter.
Die Nutzung von Rest- und Abfallstoffen sowie die Einbeziehung von Grünland- und Biodiversitätsflächen seien nachhaltige Optionen. Hinzu kämen alle anderen Erneuerbaren Technologien: „Wärmepumpen, Solar- und Geothermie, Bio- und Holzenergie sind saubere Heizungsalternativen beziehungsweise -ergänzungen. Und Booster für Windenergie und Photovoltaik ersetzen Erdgas in der Stromversorgung.“
Kontext zur Rahmensetzung der Bundesregierung im Bereich Erneuerbare:
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