Die Energiespeicherbranche ist im vergangenen Jahr deutlich gewachsen – und auch für das laufende Jahr rechnen Marktbeobachter mit einer Fortsetzung der dynamischen Entwicklung. Dennoch ist die Branche in Deutschland nach wie vor mit angezogener Handbremse unterwegs, denn es wäre noch viel mehr möglich, wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen entsprechend korrigiert würden. Im Moment kommen die Impulse hierzu nicht aus Berlin, sondern aus Brüssel.
Der Bundesverband Energiespeicher (BVES) hat die Branchenzahlen für das vergangene Jahr ausgewertet. Demnach ist der Umsatz der Energiespeicherbranche von 4,6 Mrd. € auf 5,0 Mrd. € gestiegen, wobei das mit der Analyse beauftragte Unternehmen Team Consult den gesamten Bereich Elektromobilität außen vor gelassen hat, da hier bislang kein systemdienlicher Ansatz im Zuge von Vehicle-to-Grid und ähnlichen Ansätzen in relevanter Größenordnung den Markt erreicht hat.
Pumpspeicher: Positive Aussichten nur auf nichteuropäischen Märkten
Den am Umsatz gemessen wichtigsten Speicherbereich bilden nach wie vor die Pumpspeicher, ihr Beitrag stagniert allerdings bei 1,8 Mrd. € Umsatz nach 1,9 Mrd. €. Pumpspeicher befänden sich in Deutschland und Europa auch weiterhin in einem schwierigen Marktumfeld, „allerdings bestehen positive Aussichten auf nichteuropäischen Märkten“.
Die rückläufige Entwicklung bei den Pumpspeichern bedeutet zugleich, dass alle anderen Speichertechnologien ein Wachstum um 19 Prozent von 3,2 Mrd. € auf 3,7 Mrd. € erreicht haben. Auch die Perspektiven bleiben positiv. Vier von fünf BVES-Mitgliedsunternehmen, die sich an einer Befragung von Team Consult beteiligt haben, bewerten die Marktaussichten als „sehr positiv“ oder „eher positiv“. Eine gleich große Quote an Unternehmen rechnet mit Umsatzsteigerungen und plant die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte – 12.100 Menschen sind bereits im Speichersegment in Lohn und Brot – 1.000 mehr als im Vorjahr. Auch für 2019 rechnet die Branche mit einem Zuwachs auf dann 13.200 Beschäftigte.
„Wir drohen eine weitere Technologie in Deutschland zu verlieren“
Bleibt das Problem der regulatorischen Rahmenbedingungen. Als da wären die Einordnung von Speichern als Verbraucher und Erzeuger, Restriktionen bei Multi-Use-Anwendungen und die mangelnde Transparenz der bestehenden Regelungen. Auch langwierige Genehmigungsverfahren und komplizierte Antragsverfahren für den Abruf von Fördermitteln werden als regulatorische Probleme wahrgenommen. 86 Prozent der befragten Unternehmen sehen die regulatorischen Rahmenbedingungen als Markthemmnis. Zum Vergleich: Die Sorge vor steigenden Rohstoffpreisen umtreibt gerade einmal 9 Prozent der Befragten.
Aber was tut sich hier, wo zeigt sich Bewegung auf Seiten der Politik? BVES-Bundesgeschäftsführer Urban Windelen wirkte bei der Beantwortung entsprechender Nachfragen im Zuge einer Pressekonferenz auf der Messe Energy Storage Europe (ESE) in Düsseldorf nachdenklich. Schon heute sei die Energiespeicherbranche stark exportorientiert. „Wir drohen eine weitere Technologie in Deutschland zu verlieren“, sagte Windelen.
Aussteller und Fläche auf der ESE 2019: „Eher eine Seitwärtsbewegung“
In der Bundesregierung fehle im Moment die Entschlossenheit, die nächste Phase der Energiewende einzuläuten. In weiten Teilen der Energiewirtschaft etwa sei inzwischen Konsens, dass ein CO2-Preis als Steuerungselement benötigt werde. Die Regierung hat hier bislang aber keine Anstalten unternommen, in Sachen CO2-Preis tätig zu werden.
Windelen verwies auf die Gesetzgebung der EU. Hier hatte der BVES mit seinen Eingaben zuletzt mehr Erfolg als in Berlin. Jetzt gehe es darum, die europäischen Vorgaben zeitnah in die deutsche Gesetzgebung einzubringen. Zu den positiven Signalen aus Brüssel zählt auch der Ende 2018 in den Trilogverhandlungen gefundene Kompromiss, nach dem die Doppelbelastung mit Steuern und Abgaben für Energiespeicher bei Netzdienstleistungen wegfallen soll.
Auch an der ESE selbst ist die ambivalente Entwicklung des Marktes zu erkennen. Die Messe Düsseldorf registrierte „eher eine Seitwärtsbewegung“, was Ausstellerzahlen und gebuchte Fläche angeht. Spürbar wird hier auch die Konsolidierung der Branche, im Bereich M&A hat sich in den vergangenen Jahren eine Menge getan, sei dies die Beteiligung von Bosch an ads-tec, die Übernahme von sonnen durch Shell oder der Einstieg der Hager Group bei E3DC. Die Produkte, die auf der Messe präsentiert wurden, sind indes ausgereift und dokumentieren ein hohes technologisches Know-how. „Die deutsche Speicherbranche hat gerade bei innovativen Speichersystemen über Sektorengrenzen hinweg einen technologischen Vorsprung vor den internationalen Wettbewerbern und ist für die künftigen Anforderungen an das Energiesystem grundsätzlich hervorragend aufgestellt“, betont Windelen.
Positive Perspektiven für (fast) alle Marktanwendungen
Bezogen auf die Marktanwendungen sind die Branchenunternehmen zuversichtlich in den meisten Segmenten. Stagnierende oder gar rückläufige Erwartungen richten sich nur auf zwei Bereiche: Großbatterien zur Regelleistungserbringung und Single-Use-Heimbatteriespeicher ohne System- bzw. Marktintegration.
Positive Entwicklungen werden in den anderen Segmenten erwartet. So etwa im Bereich der Gewerbe- und Industriespeicheranwendungen einschließlich (Puffer-)Speichern innerhalb der Elektromobilitäts-Ladeinfrastruktur. Auch vernetzte Prosumer- und Haushaltsanwendungen haben ein großes Potenzial. Im Bereich der Verteilnetze können Speicher zur Reduzierung des Netzausbaus beitragen. Und: Im Zuge der Post-EEG-Phase rücken Anwendungen zur Vermarktungsoptimierung in den Blick.
Wachstumstreiber Elektromobilität verspricht weiteren Schub
Die Berater von Team Consult sehen vor allem vier Wachstumstreiber für die Speichermärkte. Einer wird die Zunahme der Elektromobilität und der damit verbundene Bedarf hoher Ladeleistung bei Haushalten und Gewerbe sein. Ein zweiter Wachstumstreiber wird – allen regulatorischen Hemmnissen zum Trotz – die Sektorkopplung sein, insbesondere in Form von Power-to-Heat-Lösungen. Im Verkehrsbereich werden Impulse auch aus den Bereichen Schiff, Schiene und Schwerlastverkehr kommen. Ein vierter Faktor stellt die fortlaufende Kostendegression im Speichersegment dar. Mit sinkenden Preisen werden die Speicherlösungen für immer mehr neue Kundengruppen interessant.