Enertrag hat Anfang März im Brandenburger Energiedorf Nechlin eine Power-to-Heat-Anlage in Betrieb genommen. Statt die Windenergieanlagen im benachbarten Windfeld in der Uckermark abzuschalten, wird überschüssiger Strom, der an besonders windigen Tagen entsteht und nicht in das Stromnetz eingespeist werden kann, zur Erhitzung des Wassers im Windwärmespeicher genutzt. Das Nahwärmenetz transportiert diese Wärme in die Häuser und kann so alte Öl- und Gasheizungen ablösen.
Bei Nechlin erzeugen 17 Windenergieanlagen jährlich etwa 70 Mio. kWh Strom. An besonders windreichen Tagen wird mehr Energie erzeugt als eingespeist werden kann, so dass die Anlagen vom Netzbetreiber mehrmals monatlich abgeregelt werden. Insgesamt bleiben Enertrag zufolge bis zu fünf Prozent des Windstroms durch Abregelungen ungenutzt. Die Kombination mit einer Power-to-Heat-Anlage biete sich besonders deshalb an, da die Windenergieanlagen im Winter besonders häufig abgeschaltet würden, wenn die Heizungen in den Häusern am meisten Wärme bereitstellen müssen.
Windwärme günstiger als Ölheizung
Sobald bei starkem Wind die Anlagen bei Nechlin abgeschaltet werden, springen die Heizstäbe im Windwärmespeicher automatisch an. Das Windfeld ist direkt über ein Stromkabel mit dem Speicher verbunden. Dort wird mit Heizspiralen rund eine Mio. Liter Wasser auf bis zu 93 Grad Celsius erwärmt. Bei Bedarf wird das Warmwasser dann in das örtliche Nahwärmenetz abgegeben. Bei starkem Wind benötigt der Speicher nur wenige Stunden zum Aufheizen und kann das Dorf bis zu zwei Wochen vollständig mit Wärme versorgen. Dabei ist die Windwärme aus Nechlin nicht nur hundertprozentig CO2-frei, sondern auch deutlich günstiger als eine Ölheizung.
Vorbild für andere Kommunen
Für Enertrag-Gründer Jörg Müller ist Nechlin ein Vorbild für Dörfer und Städte an Windstandorten. In Brandenburg besitzen beispielsweise Städte wie Prenzlau oder Pasewalk bereits ein eigenes Wärmenetz, das genutzt werden könnte. Auch in zahlreichen Dörfern können Nahwärmenetze wie in Nechlin leicht und günstig verlegt werden. „Damit kann man den Windstrom vor Ort unkompliziert nutzen, um viele tausend Haushalte günstig und CO2-frei zu beheizen“, so Müller.
Der Windwärmespeicher Nechlin ist Teil des WindNODE-Netzwerks und des Sinteg-Förderprogramms. Das Bundeswirtschaftsministerium hat für die Sinteg-Schaufensterprojekte rechtliche Sonderregeln geschaffen, ohne die der wirtschaftliche Betrieb des Windwärmespeichers unmöglich wäre.
Rechtliche Weichen müssen neu gestellt werden
Unklar ist derzeit, wie es nach Ende des Sinteg-Programms Ende November 2020 mit der Windwärme in Nechlin weitergeht. Jörg Müller stellt dabei eine klare Forderung an die Politik: „Nur durch rechtliche Änderungen im EEG und bei der Stromsteuer können Millionen Menschen Zugang zu günstiger und CO2-freier Wärme bekommen. Es ist absurd, dass im Vergleich zu Öl und Gas auf Windwärme ein Vielfaches an staatlichen Abgaben zu zahlen ist. Dadurch verpufft wertvolle Energie ungenutzt.“
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