Derzeit kursieren viele Behauptungen über die Elektromobilität, die das Image des für die Energiewende so wichtigen Mobilitätskonzepts beeinflussen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Verkehrssektor in Deutschland einer der größten Treibhausgas-Verursacher ist und die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 sogar gestiegen sind. In der Folge des Pariser Klimaschutzabkommens hat sich Deutschland in seinem „Klimaschutzplan 2050“ dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich bis 2030 um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren und gleichzeitig die Solar- und Windstromerzeugung „stark auszubauen“. Daher ist der Ausbau der Elektromobilität notwendig, um die Vorteile einer klimafreundlichen Stromerzeugung auch auf den Verkehrssektor zu übertragen. Wie es mit der Klimabilanz der Elektromobilität beim gegenwärtigen Strommix und dem Wahrheitsgehalt anderer Behauptungen aussieht, lesen Sie in unserem Faktencheck.
Behauptung: „Bei der Batterieproduktion eines Tesla Model S fallen 17,5 Tonnen CO2 an. Mit einem Verbrenner kann man acht Jahre fahren, bis so viel CO2 entsteht“.
Falsch! Abgeleitet wurde die Behauptung aus einer Studie des schwedischen Instituts IVL, in der die CO2-Emissionen der Akkuproduktion aufgrund des Stromverbrauchs auf 150 bis 200 kg beziffert wurden. Der Vergleich mit Verbrennern kommt in der Studie allerdings überhaupt nicht vor. Er war lediglich von verschiedenen Medien zur Veranschaulichung herangezogen worden, hinkt aber stark.
Folgende Faktoren bleiben unberücksichtigt:
- Bei Verbrennern fallen die CO2-Emissionen nicht erst während der Fahrt an, ein großer Teil wird bereits bei der Ölförderung, Raffination und beim Transport der Kraftstoffe emittiert. Auch bei der Produktion eines thermischen Antriebsstrangs entstehen CO2-Äquivalente. Hinzu kommt, dass die CO2-Emissionen während der Fahrt deutlich über den Werksangaben liegen.
- Bei der Studie des IVL handelt es sich um eine Metastudie, d.h. dass lediglich existierende Studien verglichen werden. Das IVL weist dabei selbst darauf hin, dass die Ergebnisse der Studien stark variieren und es viele Unsicherheiten gibt.
- Die CO2-Emissionen der Akkuproduktion hängen vom Strommix ab, der weltweit sehr unterschiedlich ist. Mit einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien wird die Akkuproduktion somit immer klimafreundlicher. Zudem plant Tesla, den Strom seiner Akkuproduktion im Endausbau komplett aus erneuerbaren Energien zu erzeugen.
- Eine Weiterverwendung von Fahrzeugakkus zur stationären Stromspeicherung, das sogenannte „Second life“ der Akkus, bleibt in der CO2-Bilanz des IVL unberücksichtigt. Die Forscher konnten keine industrielle Anwendung ausfindig machen, dabei gibt es allein in Deutschland mehrere Second-Life-Projekte, z.B. von Remondis, Getec und The Mobility House in Lünen.
- Fortschritte beim Akkurecycling werden die CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen weiter verbessern
- Die Technologie zur Akkuproduktion wird immer effizienter.
Nach Angaben des Öko-Instituts und des Bundesumweltministeriums haben Elektrofahrzeuge bereits heute eine positive Klimabilanz – selbst wenn dazu die Stromproduktion und Fahrzeugherstellung berücksichtigt werden. Durch technologische Fortschritte und einem konsequenten Fortführen der Energiewende wird sich der Vorteil weiter vergrößern.
Behauptung: „Die Herstellung von Batterien benötigt „seltene Erden“, die genau das sind, was der Begriff sagt: selten und endlich. Zudem liegen fast alle Vorkommen in Ländern, die entweder von kriegerischen Auseinandersetzungen oder aber von nicht demokratischen Systemen geprägt sind. Es droht eine immense Abhängigkeit“.
Falsch! Das Zitat stammt von Christian Lindner (FDP) aus einen Gastbeitrag für die Zeitung „Welt am Sonntag“. In Lithium-Ionen-Akkus von Elektrofahrzeugen sind aber gar keine seltenen Erden drin. Lediglich in den Permanentmagneten der Motoren können seltene Erden wie Neodym vorkommen, die hauptsächlich aus China stammen. Es geht jedoch auch ohne, so setzt Tesla beispielsweise im Model S auf einen Asynchronmotor, der ohne seltene Erden auskommt. Zwar gibt es auch Permanentmagnete ohne seltene Erden, doch erst diese verleihen ihnen die für den Einsatz in Motoren von Elektroautos nötige Energiedichte und thermische Stabilität. Es laufen allerdings schon seit längerer Zeit Forschungsprojekte wie das Heusler-Projekt, um dies zu ändern.
Kritisch wird in Medien häufig über zwei andere Elemente berichtet, bei denen es sich aber nicht um seltene Erden handelt: Lithium und Kobalt. Der Einsatz von Kobalt in Akkus wird kritisch gesehen, da rund die Hälfte der Fördermenge aus der Demokratischen Republik Kongo stammt. Laut Amnesty International arbeiten in den Minen schon Kinder unter lebensgefährlichen Bedingungen. Allerdings gibt es schon Lithium-Ionen-Akkus, die ohne Kobalt auskommen und Experten prognostizieren, dass in Zukunft bei der Akkuherstellung immer weniger teure Materialen eingesetzt werden. Aufgrund des hohen Werts von Kobalt ist zudem schon aus wirtschaftlichen Gründen sichergestellt, dass es beim Akkurecycling zum größten Teil wiedergewonnen wird. Das gleiche gilt für Nickel und Kupfer.
Bei Lithium, das mit durchschnittlich zwei Prozent einen geringen Anteil an Lithium-Ionen-Akkus hat, wird aufgrund der steigenden Nachfrage nach Lithium-Ionen-Akkus regelmäßig die ausreichende Verfügbarkeit angezweifelt. Mit Blick auf die aus heutiger Sicht globalen Lithium Reserven von 13,5 Millionen Tonnen und Ressourcen von 39,5 Mio. Tonnen ergibt sich nach Angaben des Fraunhofer ISI, dass selbst im extremen Szenario der globalen und frühen Verbreitung von Elektrofahrzeugen die vorhandenen Ressourcen an Lithium nicht erschöpft werden. Die Verfügbarkeit von Lithium werde zumindest aus Sicht der Ressourcen die Entwicklung der Elektromobilität ebenso wie die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Akkus in weiteren Anwendungen und nach Lithium in weiteren Produkten nicht behindern. Sollte das Angebot dennoch knapp werden, würden die Preise für Lithium steigen und ein Recycling wäre lohnenswert.
Zudem bleibt zu bedenken, dass auch Erdöl und Erdgas nicht aus Ländern mit lupenreinen Demokratien stammen…
Behauptung: „Das Stromangebot reicht nicht für einen Umstieg auf Elektromobilität“
Unwahrscheinlich! Ambitionierte Langfristszenarien mit Elektrofahrzeuganteilen über 75 Prozent am Gesamtbestand der Pkw zeigen, dass die Stromnachfrage durch die Pkw-Elektromobilität auf 85 bis 100 Terawattstunden pro Jahr ansteigen kann. Davon könnte beispielsweise mehr als die Hälfte durch den im vergangenen Jahr erzielten Exportüberschuss von 53,7 TWh Strom gedeckt werden. Zumindest in den nächsten Jahren sind somit keine Angebotsengpässe zu erwarten. Allerdings könnte dem Öko-Institut zufolge noch ein Strombedarf von knapp 50 TWh pro Jahr für den Straßengüterverkehr hinzukommen, wenn dieser in erheblichem Maß durch batteriebetriebene und oberleitungsgebundene Lkw und Lieferfahrzeuge auf die direkte Stromnutzung umgestellt würde. Deswegen sollte der Ausbau der Elektromobilität mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien Hand in Hand gehen.
Die zusätzliche Stromnachfrage von Elektromobilität wirkt sich ebenfalls auf die Netzinfrastruktur der Stromverteilung aus. Im Vorhaben „Wissenschaftliches Analyse- und Dialogvorhaben zur Sicherstellung des Klimavorteils der Elektromobilität“ zeigt sich, dass die zusätzliche Stromnachfrage bei einem Ansteigen der Elektrofahrzeug-Zahlen zu einer Überlastung lokaler Verteilnetze führen kann, wenn die Ladevorgänge der Elektrofahrzeuge unkontrolliert stattfinden. Folglich fordert das Öko-Institut, dass intelligente Ladestrategien hinsichtlich der zeitlichen Staffelung von Ladevorgängen ein Bestandteil der Elektromobilität der Zukunft sein müssen. Auch würden sich neue Geschäftsmodelle entwickeln, die Anreize für das Verschieben von Ladevorgängen bieten werden.
Behauptung: „Elektrofahrzeuge geraten bei Unfällen schneller in Brand als Verbrenner“
Falsch! Nach Analysen aktueller Schadenfälle durch das Allianz Zentrum für Technik besteht bei serienmäßigen Elektro- und Hybridfahrzeugen kein erhöhtes Brandrisiko gegenüber Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb. Damit sind E-Autos genauso sicher wie konventionell betriebene Modelle.
Die Untersuchungen der Allianz haben zudem gezeigt, dass Elektrofahrzeuge um ein Viertel seltener in Unfälle verwickelt sind, die Schäden aber um etwa 25 Prozent teurer sind als bei Autos mit Verbrennungsmotoren. Das liegt nach Angaben des Versicherungskonzerns daran, dass es noch Potenzial bei der Konstruktion gibt und die Batterie so verbaut sein sollte, dass sie nicht schon bei kleinen Unfällen aufwendig ausgetauscht werden muss. Dazu kommen gegebenenfalls zusätzliche Transportkosten, da nicht jede Werkstatt für die Reparatur eines E-Fahrzeugs optimal ausgerüstet ist.
Behauptung: „Elektrofahrzeuge lohnen sich finanziell noch nicht.“
Falsch! Elektrofahrzeuge sind zwar heute in der Anschaffung noch teurer, jedoch im Betrieb günstiger als vergleichbare konventionelle Fahrzeuge. Hauptgründe sind die geringere Wartungsintensität und die um 65 Prozent geringeren Verbrauchskosten pro Kilometer. Die Gesamtkostenbilanz der Nutzung fällt daher nach Angaben des Öko-Instituts bereits heute in vielen Fällen positiv aus – insbesondere dann, wenn das Fahrzeug viel gefahren wird. Das zeigt der „Onlinerechner des Öko-Instituts für privat genutzte Elektrofahrzeuge“.
Behauptung: „Abgesehen von den klimatischen Vorteilen verursachen Elektrofahrzeuge mehr Umweltschäden als Verbrenner“
Unklar! Während der Elektromobilität in Deutschland übereinstimmend Klimavorteile attestiert werden, sind die Auswirkungen auf andere Umweltfaktoren nicht so eindeutig. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass Elektrofahrzeuge im innerstädtischen Verkehr vorteilhaft sind, da die Emissionen nicht am Auspuff, sondern bei der Strombereitstellung durch fossile Energieträger sowie bei der Fahrzeugherstellung, insbesondere aufgrund der Batterien, anfallen. Zudem wirkt sich eine lange Lebensfahrleistung positiv auf die Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen aus, der aber von den Studien nur begrenzt Rechnung getragen wird.
Eine Studie des Umweltbundesamts kommt beispielsweise nach dem Vergleich einer durchschnittlichen Lebensfahrleistung von ca. 170.000 km zu dem Schluss, dass die Klimabilanz und der kumulierte Energieaufwand von Elektrofahrzeugen positiv gegenüber Verbrennern ist. Nachteile für Elektrofahrzeuge ergeben sich vor allem bei der Fahrzeugherstellung. Der kumulierte Rohstoffaufwand, Wasserbedarf sowie Versauerung und gesundheitliche Belastungen werden überwiegend durch die Herstellung der Fahrzeuge beeinflusst und zeigen daher aktuell in der Gesamtbetrachtung Nachteile für Elektrofahrzeuge.
Den Analysen zufolge werden sich die Vorteile von Elektrofahrzeugen in den nächsten Jahren weiter erhöhen (insbesondere durch den Ausbau erneuerbarer Energien) und die Nachteile verringern (durch Verbesserung spezifischer Batterieeigenschaften und verstärktes Recycling auch aus ökonomischen Gründen). Voraussetzung dafür ist ein konsequenter Umbau der Energiewirtschaft sowie Anreize für eine rohstoffeffiziente Produktgestaltung und weitgehende Kreislaufwirtschaft.
Fazit: Elektrofahrzeuge schonen schon beim heutigen Strommix in Deutschland das Klima. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird auch die Auswirkung auf andere Umweltfaktoren immer positiver.
Die Elektromobilität hat in Deutschland schon heute positive Auswirkungen auf das Klima und die Luftqualität in Städten. Aber es gibt auch noch Herausforderungen, um die Vorteile des Mobilitätskonzepts zu stärken und die bisher bestehenden Nachteile zu verringern. Wichtig ist dabei vor allem ein konsequenter Ausbau der erneuerbaren Energien.
Zur Verlängerung der Lebensdauer von Fahrzeugakkus und damit für ihre Umweltbilanz sind Second-Life-Projekte sinnvoll, ihre Zahl hat im letzten Jahr bereits rasant zugenommen. Am Lebensende der Fahrzeugakkus sollten beim Recycling Anreize gesetzt werden, einen möglichst hohen Anteil aller Rohstoffe wiederzugewinnen. Schon heute wird jedoch aufgrund des hohen Werts von Kobalt, Kupfer und Nickel ein Großteil recycelt. Weitere Forschung ist erforderlich, um in Zukunft seltene Rohstoffe sowie Rohstoffe, die unter kritischen Bedingungen gefördert werden, zu ersetzen.
Um eine Überlastung lokaler Verteilnetze durch das gleichzeitige Laden zu vieler Elektrofahrzeuge zu verhindern, muss das Stromnetz intelligenter werden. Dafür fehlen jedoch in Deutschland noch die Voraussetzungen (Vgl. Artikel The Mobility House: „Das Netz muss für den Ausbau der Elektromobilität intelligent werden“). Unter den richtigen Bedingungen könnte sowohl das uni- als auch das bidirektionale Laden genutzt werden, um Stromangebot und -nachfrage auszugleichen. Beim bidirektionalen Laden werden Elektrofahrzeuge dann netzdienlich geladen, wenn beispielsweise viel Solar- und Windstrom im Netz ist und entladen, wenn das Stromangebot niedrig ist. Elektrofahrzeuge mit unidirektionaler Ladung können nur laden, eine netzdienliche Anbindung ist aber über eine große Flotte möglich, so dass vor allem dann viele Fahrzeuge geladen werden, wenn ein Stromüberschuss herrscht.