Bislang ist die Brennstoffzellen-Produktion aufwendig und zu langsam. Ein Fraunhofer-Team entwickelt deshalb eine durchgängige Produktionsanlage, die künftig Brennstoffzellen-Komponenten im Sekundentakt verarbeitet. Diese Pilotlinie wird vom 12. bis 16. April 2021 auf der Hannover Messe Digital Edition vorgestellt. In einem Live-Stream berichtet das Fraunhofer IPT gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS und dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU über den Aktionsplan und erste Forschungsergebnisse auf dem Weg zu einer kostengünstigen, automatisierten Massenproduktion von Brennstoffzellen.
Trotz des steigenden Bedarfs an Brennstoffzellen gebe es in Europa noch keine Massenfertigung, so die Fraunhofer-Gesellschaft. Derzeit fehle es vor allem an einer geschlossenen Prozesskette, in der wie am Fließband Brennstoffzellen-Komponenten gefertigt und zu einem Ganzen zusammengebaut werden. „Wir brauchen durchgängige Fertigungslinien, die im Sekundentakt Komponenten auswerfen und verarbeiten können“, sagt Christoph Baum, Geschäftsführer des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT in Aachen. „Davon ist die Industrie in Europa aktuell noch weit entfernt.“
Bisher werden Komponenten von verschiedenen Produzenten gefertigt
So werden verschiedene Komponenten heute von verschiedenen Produzenten gefertigt und anschließend zur Brennstoffzelle zusammengebaut. Auch laufen die Fertigungsschritte wie das Formen, Reinigen, Beschichten oder Fügen der Brennstoffzellen-Bauteile räumlich voneinander in unterschiedlichen Maschinen-Inseln ab. Christoph Baum: „Alles in allem ergibt sich so eine aufwendige Logistik innerhalb der Fertigung. Teile müssen mehrfach aufgenommen, abgelegt und zwischengelagert werden – das ist zeitraubend.“ Das Fraunhofer IPT entwickelt daher erstmals eine durchgängige Pilotlinie im Forschungsumfeld, in der Brennstoffzellenkomponenten vor Ort gefertigt und zum fertigen Produkt zusammengefügt werden.
Im Detail geht es dabei um die Fertigung des Herzstücks einer Brennstoffzelle, des sogenannten Stacks, an dem die Reaktion vom Wasserstoff zum Wasser und die Stromgewinnung ablaufen. Ein solcher Stack besteht aus mehreren Hundert eng aufeinandergestapelten Bipolarplatten. Die Bipolarplatten sind von einem millimeterfeinen, filigranen System von Kanälen durchzogen, durch die auf der einen Seite der Wasserstoff zugeleitet und auf der anderen Seite das bei der chemischen Reaktion im Stack entstehende Wasser abgeführt wird.
Fraunhofer IPT hat fließenden Prozess entwickelt
Die Produktion solcher Bipolarplatten hat es in sich. Die Platten sind nur etwa 100 Mikrometer dick und ähneln eher einer Folie als einer Platte. Damit nichts verknickt oder gar Falten entstehen, müssen sie vorsichtig bewegt werden. Den Platten-Rohlingen werden zunächst mithilfe von Pressen die Kanalstrukturen aufgeprägt. Danach werden sie im Vakuum beschichtet, um ihren elektrischen Widerstand zu verringern und sie korrosionsfester zu machen. Eine fertige Bipolarplatte besteht aus einer linken und einer rechten Hälfte, zwischen denen das feine Kanalsystem liegt. Beide Hälften müssen daher sehr präzise miteinander verschweißt werden. Hinzu kommen verschiedene Reinigungsschritte.
Das Team vom Fraunhofer IPT hat jetzt eine Produktionslinie entwickelt, in der über spezielle Greifwerkzeuge, sogenannte Pick-and-Place-Automaten, alle Komponenten und die Bipolarplatten so weitergereicht werden, dass sich ein fließender Prozess ergibt.
Forscher wollen wirtschaftlichen Durchbruch beschleunigen
Ziel der drei Fraunhofer-Institute ist es, den wirtschaftlichen Durchbruch der Brennstoffzellen und Elektrolyseure national und international zu beschleunigen und den Aktionsplan sowie die Einzeltechnologien zur Herstellung von Brennstoffzellen von der Forschung rasch in die industrielle Anwendung zu überführen.
Dafür treibt das Fraunhofer IPT die Automatisierung der Pilotlinie aktuell im Projekt CoBIP (Kontinuierliche Rolle-zu-Rolle Fertigung von Bipolarplatten für Brennstoffzellen) zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, dem Forschungszentrum Jülich und mehreren Industriepartnern noch weiter. Die Forscher entwickeln darin eine Anlage, in der die Bipolarplatten quasi in einem Folienstrang von der Rolle verarbeitet werden. Der Folienstrang durchläuft die Maschine und damit alle Prozessschritte vom Rohling über das Umformen, das Bedampfen und das Reinigen bis zum Fügen mit dem Laser. Erst ganz zum Schluss werden die Bipolarplatten vom Strang abgeschnitten und vereinzelt.
Diese durchgängige Fertigung von der Rolle zum fertigen Stück wird viele Handling-Schritte einsparen. Die Anlage ist so flexibel konstruiert, dass Industriepartner einzelne Fertigungsmodule nach Belieben austauschen und testen können. „Wir geben damit den Herstellern ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie eine durchgehende Prozesslinie nach eigenen Wünschen gestalten und optimieren können.“ Eine hohe Taktzahl etwa ließe sich damit erreichen, dass man mehrere Geräte parallel arbeiten lässt oder hintereinander schaltet, beispielsweise Laser zum Fügen der Plattenhälften.
Internationale Konkurrenz ist Schritt weiter
„In Europa verfügen wir zwar über viel System-Know-how, um hochwertige Brennstoffzellen herzustellen. Es fehlt aber an Möglichkeiten, Brennstoffzellen in industriellem Maßstab zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren“, resümiert Christoph Baum; Produktionslinien wie es sie heute bereits bei Hyundai oder Toyota gebe. Baum mahnt, dass bei den Brennstoffzellen die Hürde einer industriellen Produktionsskalierung nicht unterschätzt werden dürfe. Ähnlich wie bei Batterien ist der Transfer von Systemen aus dem Labor in die Massenproduktion ein aufwändiger Schritt. Hier hat die internationale Konkurrenz in der Vergangenheit entschlossener die Expertise einer kostengünstigen Massenproduktion aufgebaut. Dank hocheffizienter Fertigungslinien wie sie das Fraunhofer IPT jetzt vorstellt, sollen die Herausforderungen einer industriellen Fertigung frühzeitig erkannt und adressiert werden.
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