Forschende am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP haben zusammen mit der BBF Gruppe einen Rotor in Leichtbauweise entwickelt, der speziell für den Betrieb in Regionen mit geringer Windgeschwindigkeit konzipiert ist. Die ersten Prototypen wurden nun ausgeliefert. Die Anlagen ermöglichten es Privathaushalten, Gewerbetreibenden oder der Katastrophenhilfe eine dezentrale Energieversorgung aufzubauen und erneuerbare Energie effizient zu nutzen, heißt es beim Fraunhofer IAP.
Das neu entwickelte Windrad setze sich bereits bei einer schwachen Brise in Bewegung. Tests im Windkanal zeigten, dass der Rotor bei einer Windgeschwindigkeit von 2,7 Meter pro Sekunde anfängt, sich zu drehen – eine maßgebliche Voraussetzung, um Windkraft in Regionen mit schwachen Windverhältnissen effizient zu nutzen. Die Anlaufgeschwindigkeit für vergleichbare Systeme betrage vier Meter pro Sekunde.
„Kraft des Winds so wirksam wie möglich für Erzeugung elektrischer Energie nutzen“
„Unser Ziel ist es, die Kraft des Winds so wirksam wie möglich für die Erzeugung elektrischer Energie zu nutzen“, sagt Marcello Ambrosio, Leiter Simulation und Auslegung im Forschungsbereich Polymermaterialien und Composite PYCO des Fraunhofer IAP. Bei der Entwicklung des Windrads verfolgen die Leichtbau-Experten am Standort Wildau den Angaben zufolge einen ganzheitlichen Ansatz: „Wir haben die aerodynamische Auslegung der Rotorblätter und das Fertigungsverfahren optimiert“, erläutert Ambrosio.
Das Windrad erreicht bis zu 450 Umdrehungen pro Minute. Mit der Leistung von 2.500 Watt bei 10 Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit sei es im Durchschnitt 83 Prozent leistungsstärker als Vergleichssysteme auf dem Markt. Die Anlage erreicht einen Wirkungsgrad von 53 Prozent. „Physikalisch sind maximal 59 Prozent möglich“, sagt Ambrosio.
Maßgeschneiderter Leichtbau: Bauweise, Fertigung, Aerodynamik optimiert
Die Rotorblätter der Kleinwindanlage sind aus zwei Schalen in Leichtbauweise konstruiert. Sie bestehen aus Faserverbundwerkstoffen. Im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionen, die mit einem Schaumkern ausgelegt werden, sind die neu entwickelten Bauteile innen hohl. Diese Bauweise reduziert das Gesamtgewicht um bis zu 35 Prozent. Faserverbundwerkstoffe werden durch das präzise Einlegen von Faserstreifen in eine Form hergestellt, die anschließend mit Hilfe von Harzen oder anderen Kunststoffen zu einem Bauteil aushärten.
Die Form für die Rotorblätter hat Ambrosio zusammen mit seinem Team eigens angefertigt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen einen industriellen 3D-Drucker, mit dem sich Objekte bis zu einer Größe von zwei mal zwei Meter drucken lassen. Das Verlegen der Faserstreifen in der Form übernimmt eine moderne Automated-Fibre-Placement-Anlage. Diese automatisierte Methode sichere hohe Qualität, reduziert im Vergleich zur Handverlegung die Überlappungen und ermögliche es, die Maße der Bauteile zu verringern.
Anlage drosselt automatisch Rotationsgeschwindigkeit bei Starkwinden
Ein spezieller Laminataufbau sorge zudem dafür, dass der Rotor Starkwinden standhält. „Wir haben die einzelnen Schichten des Verbundwerkstoffs so gestaltet, dass sich die Rotorblätter bei Sturm elastisch verbiegen und aus dem Wind drehen“, erläutert Ambrosio. Die Anlage drosselt dadurch automatisch die Rotationsgeschwindigkeit und ist geschützt vor Überlastung. Auf komplizierte Steuertechnik und aufwändige Mechanik könne somit verzichtet werden.
Fünf Prototypen der Kleinwindkraftanlage wurden kürzlich an die BBF Gruppe ausgeliefert, um sie an unterschiedlichen Standorten aufzubauen. Durch diesen Ansatz wollen die Forschenden und der Entwicklungspartner herausfinden, wie sich die Position und die Höhe der Anlage auf die Leistung auswirken. Die nächsten Schritte umfassen die weitere Optimierung der Rotoren sowie die Entwicklung von Leichtbaustrukturen aus Monomaterial – also chemisch identischem Material – statt Verbundwerkstoffen. Solche Bauteile lassen sich leichter recyclen und tragen dazu bei, die Umweltbilanz von Leichtbaulösungen zu verbessern.