Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) in Kassel befasst sich mit den gestiegenen Anforderungen an dezentrale Stromerzeugungsanlagen und hat sein Testzentrum SysTec um einen Teststand für kurzzeitige Überspannungen erweitert.
Mit der Prüfeinrichtung könne das dynamische Verhalten von Wind- und Photovoltaik-Anlagen, Blockheizkraftwerken oder Biogasanlagen bei kurzzeitigen, im Verbundnetz auftretenden Spannungsüberhöhungen vermessen werden, schreibt das Institut in einer Mitteilung. Seit der Aktualisierung der Netzanschlussrichtlinien im Herbst 2018 sei das Durchfahren von Überspannungen für neu installierte Anlagen auch in Regional- und Ortsnetzen vorgeschrieben.
„Dezentrale Stromerzeugungsanlagen müssen für den sicheren Netzbetrieb verlässlich auf Störungen reagieren“, erklärt der stellvertretende Institutsleiter und Bereichsleiter Anlagentechnik und Verteilungsnetze am Fraunhofer IEE, Philipp Strauß. Das Institut übernimmt die Vermessung von Erzeugungsanlagen gemäß den Anforderungen an die Schnittstelle zum Stromnetz für das so genannte typenspezifische Einheitenzertifikat. Dies wird für jeden Typ, zum Beispiel eines Blockheizkraftwerks (BHKW) oder einer Photovoltaik-Anlage, erstellt und geht der Zertifizierung von Gesamtanlagen voran. Bei Bedarf wird auch die Modellierung für die Simulation der Gesamtanlage übernommen. „Unsere Laboreinrichtung setzen wir sowohl für entwicklungsbegleitende Tests als auch für akkreditierte Prüfungen ein“, so Strauß.
Erzeugungseinheiten bis zu einer Nennleistung von 6 MVA können getestet werden
Mit der neuen OVRT- (over-voltage ride through) Testeinrichtung können Erzeugungseinheiten bis zu einer Nennleistung von 6 MVA getestet werden. Sie ergänzt die bereits seit 2011 am Fraunhofer IEE bereitstehende UVRT- (under-voltage ride through) Testeinrichtung für Netzkonformitätsprüfungen und den Einsatz in Forschungs- und Entwicklungsprojekten.
Die transformatorbasierte, mobile Prüfeinrichtung sei das Resultat einer Entwicklungsarbeit zusammen mit dem Consulting-Unternehmen KoCoS Engineering, führt IEE-Projektleiter Nils Schäfer aus. Mit dem OVRT-Teststand könnten Überspannungen von bis zu 140 Prozent der Netz-Nennspannung erzeugt werden. Sowohl der OVRT- als auch der UVRT-Teststand seien für den mobilen Einsatz konzipiert und könnten auch für Vor-Ort-Messungen eingesetzt werden. Beide Testeinrichtungen könnten in Mittelspannungsnetzen mit einer Nennspannung von 20 kV oder 10 kV installiert werden. Die neue Prüfeinrichtung kommt den Angaben zufolge bereits seit Sommer 2019 bei Tests mit BHKWs erfolgreich zum Einsatz.