Selten hat ein legislativer Schritt in der Energiebranche in den vergangenen Jahren eine solche Unruhe erzeugt wie die geplante „Strompreisbremse“. Nachdem nun ein Eckpunktepapier mit neuen Details zu dem Konzept bekannt geworden ist, brechen alle Dämme. Über den darin kommunizierten Starttermin der Strompreisbremse zum 1. Januar 2023 herrsche „blankes Entsetzen“, heißt es beim Verband kommunaler Unternehmen. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigt sich fassungslos: „Diese geplante Strompreisbremse ist zum 1. Januar 2023 nicht zu schaffen“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. (Quelle für Beitragsbild: ContextCrew)

Es solle am 17. November ein Gesetz auf den Weg gebracht werden, das die Kontigentlösung für Strom ab 1. Januar 2023 und die Mehrerlösabschöpfung für Profiteure der hohen Strompreise im Großhandel beinhaltet. „Das ist zeitlich völlig unrealistisch“, sagt Andreae. Das Gesetz werde erst kurz vor Weihnachten in Kraft treten. „Es geht nicht darum, wie bei einem Radio die Lautstärke und die Klangfarbe zu regeln. Sondern es muss eine umgebaute Stereoanlage für einen Massenmarkt mit 40 Millionen Haushalten entwickelt werden.“

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Es gehe um ein komplexes System, in dem Millionen von Verbrauchern mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tarifgestaltungen richtig abgerechnet werden müssten. „Entlastung für die Menschen ist notwendig, muss aber auch umsetzbar sein, damit sie auch wirklich ankommt. Wichtig sind einfache und pragmatische Lösungen – so wie es die Gaskommission auch dargelegt hat“, sagt Andreae.

Auch VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing zeigt sich verärgert. „Aktuell erleben wir, dass sich Politik buchstäblich wie in einem Bieterwettbewerb mit neuen Startterminen überholt. So sehr wir verstehen, dass die Entlastungen schnell greifen sollen, so sehr muss der Blick fürs technisch Machbare geschärft werden: Es gibt noch kein Regelwerk oder fertige IT-Lösungen, die das abbilden.“

Grundkontingente für Haushalte und Industrie geplant

Wenn die Politik für Februar oder einen früheren Zeitpunkt eine weitere Entlastung anstrebe, dann müsse diese „so pauschal und einfach wie möglich ausgestaltet sein“, sagt Liebing. „Möglich wäre auch eine Wiederholung der Dezember-Lösung, obgleich diese auch schon sehr aufwendig ist.“  Der VKU schlägt vor, dass eine Task-Force aus BMWK und Energieversorgern kurzfristig an pragmatischen (Umsetzungs-)Lösungen für die Preisbremsen arbeite.

Mit der Strompreisbremse sollen Haushalte und Industrie von den Kosten der Tarifsteigerungen entlastet werden. Geplant sind Grundkontingente für Haushalte von 80 Prozent und der Industrie von 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs, für die ein pauschaler Preis von 40 ct/kWh (brutto) für Haushalte und 13 ct/kWh (netto) für die Industrie gelten soll.

BEE-Präsidentin Peter: „Eine Steuer ist die gerechtere und auch deutlich einfachere Lösung“

Die bis zu knapp 70 Mrd. €, die das Instrument kosten würde, sollen unter anderem durch die Abschöpfung von Mehrerlösen aus der Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren-Anlagen finanziert werden. Vor allem die Konzeption einer rückwirkenden Abschöpfung ist nach Überzeugung der Erneuerbaren-Branche allerdings verfassungswidrig. „Eine Steuer ist die gerechtere und auch deutlich einfachere Lösung“, sagt die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Simone Peter. „Sie wäre auch das wesentlich effizientere Instrument zur kurzfristigen Beschaffung von Finanzmitteln als die bisher vorgesehenen hochkomplexen, überbürokratischen Planungen zur Strompreisbremse.“ Das derzeitige Konzept des BMWK würde „zu einer ganzen Lawine an Klagen“ führen und das Investitionsklima in Deutschland auf Jahre hin belasten.

Lesen Sie hierzu auch die Ausgabenskizze von ContextCrew Neue Energie 43.2022:

„Stoppen Sie diesen Irrsinn“: Der Ton wird in Sachen Strompreisbremse rauer