Angesichts der absehbaren Engpässe bei der Gasversorgung zeigt ein Verbändebündnis „großes Unverständnis“, warum die Bundesregierung die Versorgungssicherheit im kommenden Winter ausschließlich über fossile Brennstoffe wie Kohle und importiertes Fracking-Gas sicherstellen wolle, während das kurzfristig mobilisierbare Potenzial von „nachhaltiger heimischer Bioenergie“ ungenutzt bleibe. (Quelle für Beitragsbild: Guntar Feldmann / stock.adobe.com)
Neben dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und dem Fachverband Biogas (FvB) schließt sich auch der Deutsche Bauernverband (DBV) der Kritik an. „Aktuell haben viele Biogas-Bauern noch mehr als ausreichend Substratvorräte aus der Ernte von 2021“, betont der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Diese könnten im kommenden Winter aktiviert und für die die Erzeugung von Strom, Wärme und Biomethan genutzt werden. „Die Bundesregierung sollte dafür jetzt den Weg freimachen.“
Der derzeit bestehende Biogaspark in Deutschland hätte die Möglichkeit, kurzfristig seine Biogasproduktion zu erhöhen und so die Nutzung von Erdgas zu reduzieren, heißt es. Seit dem EEG 2014 ist die vergütungsfähige Stromerzeugung jeder Anlage auf einen fixen Wert (Höchstbemessungsleistung) begrenzt. „Aufgrund der Notsituation ist es daher ein Gebot der Stunde für 2022 bis 2024 die Begrenzung der Stromproduktion im EEG auszusetzen“, meint der Präsident des Fachverbands Biogas Horst Seide.
Darüber hinaus sei aufgrund baurechtlicher Beschränkungen die Biogasproduktion an vielen Standorten auf 2,3 Mio. m³ Biogas begrenzt. Auch diese Begrenzung sollte „temporär ausgesetzt“ und notwendige Genehmigungsverfahren in diesem Zeitraum verkürzt werden. Kurzfristig ließen sich etwa 20 Prozent der aktuellen Leistung des Anlagenbestandes zusätzlich mobilisieren. Das entspreche insgesamt 19 TWh Gas beziehungsweise 7 TWh Strom, „was den Strombedarf von 2 Millionen Haushalten decken würde“, rechnet Seide vor.
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BEE-Präsidentin Simone Peter räumt ein, dass Deutschland für die kurzfristige Substitution von russischem Erdgas auch am Einsatz von fossiler Kohle zur Stromerzeugung nicht vorbeikomme. „Aber es ist klima- wie energiepolitisch vor allem geboten, die sofort nutzbare Biomasse in den bestehenden Bioenergieanlagen in dringend benötigte Energie umzuwandeln.“ So könnten bereits heute die Gasspeicher für den kommenden Winter geschont und der Bedarf zur Reaktivierung von Kohlekraftwerken deutlich verringert werden. „Statt weiter auf fossile Energieträger aus unsicheren Regionen zu setzten, müssen heute die Weichen gestellt werden, damit alle erneuerbaren Energien ihren Beitrag zur sicheren Energieversorgung leisten können.“
Die Verbände verweisen auf die Stellungnahme der Bioenergiebranche zum Referentenentwurf zum Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz aus dem Mai. „Noch ist Zeit, das Ruder herumzureißen und den Weg freizumachen für weniger Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.“
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