Die belgischen Wissenschaftler Johan Martens, Tom Bosserez und Jan Rongé sind für ihre Arbeit an einem Solar-Wasserstoff-Panel, das Sonnenlicht und Wasserdampf ohne Edelmetalle und externe Wasserzufuhr in Wasserstoffgas umwandelt, als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2022 nominiert worden sind. Das teilte das Europäische Patentamt (EPA) mit.
Die Fortschritte bei den verwendeten Materialien hätten dazu beigetragen, die praktischen Hindernisse bei der Herstellung eigenständiger Wasserstoffproduktionsanlagen zu überwinden. Laut der Erfinder liefern zwanzig Panels genug Wärme und Strom für ein modernes Haus, um einen „typischen belgischen Winter“ zu überstehen.
„Martens und seine Kollegen stehen an der Spitze der Solartechnologie und bieten eine Lösung an, die es sogar einzelnen Haushalten ermöglichen könnte, einen größeren Einfluss auf das Klima zu nehmen“, sagte EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2022. „Eine bahnbrechende Technologie wie diese ist ein ermutigender Schritt, um die Nutzung erneuerbarer Energien voranzutreiben und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nachhaltig zu verringern.“
Martens, Bosserez and Rongé wurden gemeinsam als einer von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie „Forschung“ nominiert, in der Erfindungen ausgezeichnet werden, die auf zukunftsweisenden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Die Biowissenschaftsingenieure arbeiten seit 2013 an der KU Leuven, eine der führenden europäischen Universitäten für Wissenschaft und Technologie, zusammen. Die Gewinner der diesjährigen Ausgabe des Europäischen Erfinderpreises des EPA werden am 21. Juni im Rahmen einer virtuellen Preisverleihung bekannt gegeben.
Wasserstoff vom eigenen Hausdach
Martens ist Professor für Biowissenschaftsingenieurwesen und wird mit seinen Erfindungen in 45 Patentfamilien genannt. Nach einer Brainstorming-Sitzung im Jahr 2010 begann Martens an einer Erfindung zu arbeiten, die Wassermoleküle aus der Umgebungsfeuchtigkeit einfängt und sie mithilfe von Sonnenlicht in Chemikalien aufspaltet. Da diese Technologie ein sehr ehrgeiziges Unterfangen ist, konzentrierte er sich auf die Herstellung von Wasserstoff und stellte zwei Doktoranden ein, Tom Bosserez und Jan Rongé, um die Idee zu einer funktionierenden Technologie zu entwickeln.
2014 entwickelte das Wissenschaftler-Trio zunächst Materialien, die bei Sonneneinstrahlung auf ihrer Oberfläche chemische Reaktionen auslösen, die Wassermoleküle in Wasserstoff- und Sauerstoffgase aufspalten. Der Wasserstoff kann dann aufgefangen und als Energiequelle genutzt werden, indem das Gas entweder als Brennstoff verbrannt wird – ähnlich wie heute Flüssiggas – oder indem es für die Stromerzeugung durch eine Brennstoffzelle geleitet wird. In beiden Fällen werden bei der Reaktion keine Treibhausgase freigesetzt.
Als Nächstes wurden der Wirkungsgrad der Solar-Wasserstoff-Umwandlung ihres Laborgeräts von unter 1 Prozent auf über 15 Prozent gesteigert und die Miniatur-Laborgeräte auf 1-Meter-Prototypen vergrößert, um Haushaltsgeräte zu betreiben. Dabei berücksichtigten Martens, Bosserez und Rongé bereits zukünftige betriebswirtschaftlich sowie ökologische Aspekte, indem sie aus Kosten- und Verknappungserwägungen Edelmetalle aus ihren Materialien entfernten und alles in ein einziges Panel integrierten.
„Unser Solar-Wasserstoff-Panel ist absolut einzigartig, da es Wasser aus der Umgebungsluft aufnimmt und nicht aus einer externen Wasserversorgung“, betont Martens. „Dadurch ist es möglich, Wasser zu absorbieren, Solarenergie zu nutzen, Wasserstoff zu produzieren und als Kraftstoff zu liefern – alles mit einem einzigen, eigenständigen Panel.“ Im Gegensatz zu den bisherigen Methoden der Wasserstoffgewinnung, für die in der Regel Anlagen wie große Kraftwerke erforderlich seien, könne die Erfindung von Martens aufgrund ihrer Kompaktheit überall sauberen Wasserstoffkraftstoff erzeugen, sogar auf Dächern, heißt es beim EPA.
Martens geht davon aus, dass sein Team das Design der Panels je nach klimatischen Bedingungen des Einsatzortes modifizieren kann, zum Beispiel für trockenere Gebiete in Afrika oder Dächer mit geringer Sonneneinstrahlung in skandinavischen Ländern. Er glaubt, dass sie letztendlich Flüssiggas in Entwicklungsländern ersetzen könnten, indem sie für Haushalte eine leicht zugängliche Quelle für sauberen Brennstoff darstellen, der vor allem für Herde zum Kochen und zur Kühlung genutzt werden kann.
Schlüsselpatent für Erfindung im Jahr 2019 erteilt
2019 erteilte das Europäische Patentamt Martens, Bosserez und Rongé ein Schlüsselpatent zum Schutz ihrer Erfindung. Martens, der bereits vier Technologie-Start-ups mitbegründet hat, rechnet damit, dass es noch Jahre dauert, um die Technologie in ein marktfähiges Produkt zu verwandeln. Gleichzeitig sei das Patent ein entscheidender erster Schritt dafür: „Unsere Patente sind wichtig, weil sie es uns ermöglichen, unsere Erfindungen während des langen Entwicklungsprozesses, der vor uns liegt, zu schützen“, betont Martens. „Es dauert Jahre, eine neue Technologie zu entwickeln, aber alle unsere Ideen sind durch unsere Patente geschützt und können Schritt für Schritt eingesetzt werden, wenn unsere Solar-Wasserstoff-Panels ausgereift sind.“
Das EPA zitiert Analysen, nach denen der Markt für grünen Wasserstoff von 393 Mio. € im Jahr 2021 bis 2026 auf 3,9 Mrd. € anwachsen wird. Die EU rechnet bis 2050 mit kumulierten Investitionen von bis zu 470 Mrd. € in die grüne Wasserstoffinfrastruktur. Die Wissenschaftler wollen ihre Erfindung vor diesem Hintergrund bis 2026 kommerzialisieren. Derzeit arbeiten sie mit dem Ingenieurbüro Comate zusammen, um ihre Technologie für die Großproduktion tauglich zu machen, und testen Prototypen in Zusammenarbeit mit dem belgischen Erdgasnetzbetreiber Fluxys in Feldversuchen. Das Team will noch im laufenden Jahr ein Unternehmen gründen, um die kommerzielle Entwicklung ihrer Technologie zu begleiten.
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