Abo

Newsletter

Susanne Jung
Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV)

„Sollten nicht hinnehmen, dass funktionierende Solaranlagen verschrottet werden“

Interview

Für die Betreiber von Photovoltaikanlagen wird die Post-EEG-Phase nicht so fulminant beginnen wie in den Technologiebereichen Wind und Bioenergie, zunächst ist nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Anlagen betroffen. Dennoch wächst bei den Anlagenbetreibern der Informationsbedarf schon jetzt deutlich. Wir haben uns mit Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein (SFV) über die Perspektiven für den Betrieb von Photovoltaikanlagen nach dem Ende der EEG-Förderzeit unterhalten.

Frau Jung, die Post-EEG-Phase betrifft in den Jahren ab 2021 zunächst nur vergleichsweise wenige Photovoltaik-Anlagen, wird dann aber schnell an Bedeutung gewinnen. Macht es Sinn, sich bereits heute mit der Frage der Anschlussnutzung nach dem Ende der EEG-Förderzeit zu befassen?

Zunächst erst einmal vielen Dank für die Möglichkeit, zum Thema „Weiterbetrieb von PV-Altanlagen nach Ablauf der Vergütung“ unsere Informationen und Ideen weitergeben zu können. Obwohl bis zum 31.12.2020 noch einige Zeit vor uns liegt, stehen Fragen zu Post-EEG-Anlagen schon seit vielen, vielen Monaten hoch im Kurs. Warum das so ist, lässt sich nur vermuten.

Wesentlich wird sein, dass Solarpioniere, die in den Anfangsjahren der Photovoltaik in diese damals noch sehr teure Technik investierten, von dem festen Willen getragen sind, ihre Anlage weiter zu betreiben. Es gibt auch keinen Grund, die Anlagen abzubauen. Sie haben sich in ihrer Robustheit und Leistungsfähigkeit bewährt und könnten so noch viele Jahre Strom erzeugen. Zunächst werden rund 114 Megawatt aus der EEG-Vergütung fallen, in der Hauptsache PV-Anlagen unter 10 kW – also ca. 15.000 Anlagen. In den Folgejahren kommen immer mehr Anlagen hinzu, zum 1.1.2026 liegt die Gesamtleistung der nach heutigem EEG ausgeförderten Anlagen bereits bei ca. 2 Gigawatt.

Bestrebungen des Gesetzgebers, den Anspruch auf Einspeisevergütungen herunterzufahren, um irgendwann den Anspruch generell zu streichen, sind deutlich.

Die Diskussion um Post-EEG-Anlagen hat nach meiner Überzeugung allerdings auch eine politische Komponente. Die Signale sind deutlich: Die Bestrebungen des Gesetzgebers, den Anspruch auf Einspeisevergütungen herunterzufahren, um irgendwann den Anspruch generell zu streichen, sind deutlich. Die Absicherung des wirtschaftlichen Betriebs der Anlagen soll zur Privatsache deklariert werden. Durch zunehmenden Eigenverbrauch oder Vermarktungsstrategien sollen PV-Anlagen zukünftig ohne gesamtgesellschaftliche Unterstützung auf dem Markt bestehen können. Ob dieser angedachte Weg dazu beiträgt, die Energiewende beschleunigt voranzubringen und alle verfügbaren Dächer und geeigneten Freiflächen für PV-Installationen attraktiv zu machen, bezweifeln wir sehr.

Für die Anlagenbetreiber stellen sich nach dem Förderende sehr grundsätzliche Fragen. Gleichzeitig sind rechtliche Fragen zu beantworten. Welchen Status haben die EEG-Anlagen denn rechtlich nach dem Ende der Förderung? Bleibt der Anspruch auf Netzeinspeisung erhalten? Und bleibt es bei der vorrangigen Abnahme des regenerativen Stroms?

Nach gegenwärtiger Rechtslage bleibt der Anspruch auf Netzanbindung wohl bestehen. Es besteht allerdings kein Anspruch auf Vergütung des eingespeisten Stroms – weder auf Erstattung des Marktwertes für Solarstroms noch auf eine Anschlussvergütung, um die Betriebskosten der PV-Altanlage weiterhin zu decken. Anlagenbetreiberinnen und -betreiber sind aufgefordert, nach dem Ende des Vergütungszeitraums den Strom an Dritte zu verkaufen oder selbst zu verbrauchen. Die Netzeinspeisung von überschüssigen, nicht selbst verbrauchten Strommengen ohne einen konkreten Direktabnehmer ist nicht erlaubt.

Wie kann die vorrangige Abnahme gewährleistet werden, wenn Anlagenbetreiber für den Strom aus ihrer kleinen PV-Altanlage keinen Direktabnehmer finden?

Da PV-Altanlagen nach Auslauf der Vergütung weiterhin EEG-Anlagen sind, müsste der Anspruch auf vorrangige Abnahme des Stroms zwar prinzipiell weiterhin gelten. Doch wie kann die vorrangige Abnahme gewährleistet werden, wenn Anlagenbetreiber für den Strom aus ihrer kleinen PV-Altanlage keinen Direktabnehmer finden?

Hier muss der Gesetzgeber dringend reagieren! Netzbetreiber müssten auch weiterhin verpflichtet werden, den Strom abzunehmen und mindestens zum Marktpreis zu vergüten. Ob diese Vergütung zur Deckung der laufenden Betriebskosten des Betreibers hinreichend wäre, steht auf einem anderen Blatt.

Werfen wir einen Blick auf die Kostenseite. Auch nach dem Ende der Förderung fallen Kosten rund um den Betrieb der Anlage an. Ggf. muss die Anlage auch für die Post-EEG-Zeit fit gemacht werden. Welche Kostenbestandteile müssen denn Anlagenbetreiber erwirtschaften, damit ein Weiterbetrieb sich überhaupt lohnen kann?

Die meisten PV-Betreiber werden sich dafür entscheiden, ihre Altanlage in eine Eigenverbrauchsanlage umzurüsten. Einige träumen von einem Stromspeicher, andere sehen die Chance, ein Elektroauto oder die Wärmepumpe mit Solarstrom zu versorgen. Auf diese Weise können der Eigenverbrauch erhöht und Stromkosten gespart werden. Den gesamten Strom selbst zu verbrauchen und keine Kilowattstunde mehr in das Netz einzuspeisen wird den wenigsten gelingen. Größere Investitionen wären nötig – für eine PV-Altanlage will das gut durchdacht sein.

Wir denken auch, dass das Interesse der Betreiber am Weiterbetrieb der PV-Altanlagen nachlassen könnte, wenn die einmaligen Investitionen und laufenden Betriebskosten nicht sicher gedeckt werden.

Empfehlenswert ist auch, die Anlage einer sicherheitstechnischen Überprüfung zu unterziehen, um Alterungsschäden an stromführenden Leitungen und Solarmodul-Befestigungen auszuschließen.

Zu den Betriebskosten zählen zunächst Mess-, Abrechnungskosten und Versicherungskosten. Darüber hinaus gibt es nicht unerhebliche Einmalausgaben für die technische Umrüstung der meist in Volleinspeisung betriebenen Anlagen in Eigenverbrauchsanlagen, für eventuelle Speicher, neue Zählerschränke usw.

Empfehlenswert ist auch, die Anlage einer sicherheitstechnischen Überprüfung zu unterziehen, um Alterungsschäden an stromführenden Leitungen und Solarmodul-Befestigungen auszuschließen. Final sollten Anlagenbetreiber zusätzlich an Abbau- und eventuelle Recyclingkosten denken, sollte die PV-Altanlage irgendwann ihren Dienst einstellen.

Aus heutiger Sicht erscheint die Umstellung auf den Eigenverbrauch für Anlagenbetreiber eine besonders attraktive Option. An was müssen Anlagenbetreiber denken, wenn sie ihre PV-Anlage auf die Eigenstromversorgung umstellen wollen?

Es ist in der Tat attraktiv, den erzeugten Solarstrom selbst zu verbrauchen. Die Einsparung der Stromkosten und die Unabhängigkeit von Preissteigerungen bringen Vorteile.

Die Umrüstung sollte von einer Fachkraft durchgeführt werden. Erfreulich ist, die Vorgaben der aktuellen Norm VDE-AR-N 4105:2018-11 bei der Umrüstung nicht eingehalten werden müssen. Insofern müssen weder technische Einrichtungen zum Einspeisemanagement vorgehalten, eine Erneuerung der Schutzeinrichtungen durchgeführt noch Netzdienstleistungen vom Wechselrichter erbracht werden. Dadurch sind die von vielen befürchteten Zusatzinvestitionen für umfangreiche technische Umrüstungen entbehrlich. Allerdings werden neue Zähler gebraucht (mglw. sogar ein neuer Zählerschrank) und der Abrechnungsaufwand erhöht sich.

Alternative Vermarktungsmodelle könnten Cloud- und Community-Lösungen sowie Regionalstrommodelle sein. Lohnen sich solche Modelle für PV-Anlagenbetreiber? Und wie werden sie energiewirtschaftlich strukturiert?

Durch alternative Vermarktungsmodelle (im EEG als „sonstige Direktvermarktung“ definiert) könnten tatsächlich einige Anlagenbetreiber Unterstützung finden. Derzeit gibt es zahlreiche Vorstellungen, wie zukünftig auf Stromhandelsplattformen die eigene Ökostromversorgung und die der Nachbarn gekoppelt werden kann. Community-Lösungen stehen hoch im Kurs. Es wird über Blockchain diskutiert und direkte Stromkaufvereinbarungen zwischen Betreibern und Unternehmen (z.B. PV-Anlagenbetreiber und Supermarkt) in Erwägung gezogen.

Cloud & Community-Modelle: Inwieweit sich diese Ideen behaupten werden hängt vor allem davon ab, ob es für alle Vertragspartner eine Win-Win-Lösung ergibt.

Inwieweit sich diese Ideen behaupten werden hängt vor allem davon ab, ob es für alle Vertragspartner eine Win-Win-Lösung ergibt. Zu bedenken ist dabei, dass allein die zwingende Erfassung der ¼ stündlichen Einspeisung und die Aufstellung von Strombilanzkreisen mit neuen Zählerkonzepten von PV-Altanlagenbetreibern auf den Weg gebracht und finanziert werden muss. Ob das für Kleinanlagen wirtschaftlich abbildbar ist, muss geprüft werden.

Davon abgesehen könnten die unsicheren Marktkonstellationen die Akzeptanz der alternativen Vermarktungsmodelle einschränken.

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) macht sich stark dafür, dass die Volleinspeisung von PV-Strom auch nach dem Förderende attraktiv bleibt. Was sind Ihre Beweggründe dafür und wie könnte ein entsprechendes Modell aussehen, das es Anlagenbetreibern in der Post-EEG-Phase ermöglicht, die Anlage wie bisher weiterzubetreiben?

Wir möchten dringend vermeiden, dass intakte, weiterhin leistungsfähige PV-Altanlagen abgebaut oder einfach abgeklemmt werden, weil die Betriebskosten nach Ablauf der Vergütung nicht mehr abgedeckt werden. Jedem Anlagenbetreiber muss dabei freigestellt werden, ob er seine Anlage umrüstet und den erzeugten Solarstrom (teilweise) selbst verbraucht oder keine technische Änderung an der Volleinspeiseanlage vornehmen möchte.

Wenn der Strom weiterhin in das allgemeine Versorgungsnetz eingespeist wird, muss für jede Kilowattstunde mindestens der Marktpreis des Stroms oder mehr beansprucht werden können.

Wenn der Strom weiterhin in das allgemeine Versorgungsnetz eingespeist wird, muss für jede Kilowattstunde mindestens der Marktpreis des Stroms oder mehr beansprucht werden können.

Die aktuelle EU-Richtlinie zur Förderung Erneuerbarer Energien sieht in Artikel 21 Nr. 2 d) vor, dass Eigenversorger für den in das Netz eingespeisten Strom (unabhängig vom Inbetriebnahmejahr der Anlage) mindestens den Börsenstrompreis beanspruchen können. Zusätzlich verlangt die EU-Richtlinie auch, dass bei der Einpreisung der langfristige Wert des EE-Stroms für das Netz, die Umwelt sowie die Gesellschaft berücksichtigt werden soll. Wir brauchen bei unseren Forderungen nach einer Anschlussfinanzierung also kaum zurückstecken.

Sie haben es gerade angesprochen: Die novellierte Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) sieht verbesserte Rahmenbedingungen für Prosumer und Kleinproduzenten regenerativen Stroms vor. Die Richtlinie muss aber erst in nationales Recht umgesetzt werden. Inwiefern könnten sich die Perspektiven für den Post-EEG-Betrieb von Photovoltaikanlagen durch RED II verbessern?

Wenn die ehemals zur Volleinspeisung eingerichtete Anlage in eine Eigenverbrauchsanlage umgerüstet wird, sollte zusätzlich im Gesetz die Verpflichtung gestrichen werden, nach der für selbst erzeugten und verbrauchten Strom – unabhängig von der Anlagengröße – die reduzierte EEG-Umlage (40 Prozent) entrichtet werden muss. Auch hierzu gibt es in der neuen EU-Richtlinie eine Rechtsvorschrift. In Artikel 21 Nr. 3 c) steht, dass „Mitgliedstaaten […] Eigenversorgern […] für die an Ort und Stelle verbleibende eigenerzeugte erneuerbare Elektrizität (nur dann) nichtdiskriminierende und verhältnismäßige Umlagen, Abgaben und Gebühren […] auferlegen können, […] c) wenn die eigenerzeugte erneuerbare Elektrizität in Anlagen mit einer installierten Gesamtstromerzeugungskapazität von über 30 kW produziert wird.“

Nun ist die Bundesregierung gefordert, die Vorschriften der EU-Richtlinie in deutsches Recht zu überführen und Anschlusslösungen für PV-Altanlagen zu definieren.

In den Anfängen des EEG betrug die durchschnittliche Anlagengröße ca. 5 kW. Deswegen würde die Befreiung von Umlagen und Abgaben greifen.

Nun ist die Bundesregierung gefordert, die Vorschriften der EU-Richtlinie in deutsches Recht zu überführen und Anschlusslösungen für PV-Altanlagen zu definieren.

Wir sollten nicht hinnehmen, dass funktionierende Solaranlagen verschrottet werden. Dies gilt übrigens ebenso für Windanlagen, die nach 2020 ebenso aus der Vergütung fallen. Wir brauchen solide Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Energiewende. Jeder Abbruch verzögert den schnellstmöglichen Umstieg auf Erneuerbare Energien.

Vielen Dank für das Interview!

Aktuelle Meldungen

„Faire Windkraft“Enercon liefert E-160-EP5-Turbinen für Bürgerwindpark

Enercon und die BürgerEnergiepark Druiberg GmbH & Co KG haben einen Vertrag über die Lieferung und Installation von 13 Windenergieanlagen des Typs E-160 EP5...

100 Mrd. Euro für KTFGrundgesetzänderung: Union, SPD und Grüne erzielen Durchbruch in den Verhandlungen

In den Verhandlungen zwischen Union, SPD und Grünen über eine Grundgesetzänderung zur Lockerung der Schuldenbremse ist am Freitag ein Durchbruch geglückt. Dabei ist es...

UBA zieht BilanzTreibhausgasemissionen in Deutschland 2024 um 3,4 Prozent gesunken

Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind im Jahr 2024 laut Umweltbundesamt (UBA) um 3,4 Prozent auf 649 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente gegenüber 2023 gesunken. „Deutschland schließt...

Bereits sechs FID erreichtNeuer CIP-Fonds soll 30 GW an neuer regenerativer Energiekapazität in das globale Netz bringen

Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) schließt derzeit das Fundraising für seinen „CI V“-Fonds ab und die Gesamtzusagen (ohne für Co-Investitionen eingeworbenes Kapital) überschreiten bereits das...

Studie zur GebäudeautomationDigitalisierung für beschleunigte Wärmewende im Gebäudebereich

Gebäude verbrauchen in Deutschland mehr als ein Drittel der Endenergie. Davon entfällt der Großteil auf Raumwärme und Warmwasser. Digitale Gebäudetechnologien könnten die Energieeffizienz von...

Nachrichten kompaktKurzmeldungen: Lüder wird neuer Chef von Voith Hydro

Über die Informationskanäle der Redaktion von ContextCrew Neue Energie fließen täglich mehrere Hundert Informationen zur Energiewende aus den verschiedensten Quellen. In der Online-Rubrik werfen...

Großbatteriespeicher für die Energiewende

Mit dem forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien und dabei insbesondere der Technologien mit fluktuierendem Energiedargebot steigt der Bedarf an Flexibilität im Stromnetz. Eine elegante...

GroßbatteriespeicherArzberg: Entrix übernimmt für halben Speicher Vermarktung

MW Storage baut in Arzberg einen der größten Batteriespeicher Europas. Für die Optimierung und Vermarktung der Hälfte davon – 50 MW und 100 MWh...

GroßbatteriespeicherRWE nimmt 35-MW-Speicher in Eemshaven in Betrieb

RWE hat am Kraftwerksstandort Eemshaven eines der größten Batteriespeichersysteme in den Niederlanden in Betrieb genommen. Mit einer Gesamtleistung von 35 MW und einer Speicherkapazität...

Neue AnalyseBEE zur Debatte über Strombedarf: „Ein Zuviel an Ökostrom kann es gar nicht geben“

Zuletzt waren wiederholt Einschätzungen laut geworden, nach denen der künftige Strombedarf nach unten angepasst werden müsse, da die Stromnachfrage etwa im vergangenen Jahr deutlich...