Leitfaden Einspeisemanagement 3.0 der Bundesnetzagentur (BNetzA): Was nun?

Fachbeitrag von Steffen Herz und Katrin Antonow (von Bredow Valentin Herz)

Steffen Herz, Katrin Antonow
Quelle: von Bredow Valentin Herz

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat im Juni den Leitfaden Einspeisemanagement 3.0 veröffentlicht. Der Leitfaden ist zwar für keinen der Adressaten – Anlagenbetreiber, Direktvermarkter, Netzbetreiber – rechtlich verbindlich, es ist aber bereits jetzt absehbar, dass er erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Entschädigung für Einspeisemanagementmaßnahmen bei direktvermarkteten Anlagen haben wird.

Dieser Ansicht sind Steffen Herz, Rechtsanwalt und Partner, und Katrin Antonow, Rechtsanwältin bei von Bredow Valentin Herz Rechtsanwälte in Berlin, die sich in einem Fachbeitrag mit dem Leitfaden und seinen möglichen Auswirkungen auseinandersetzen:

Im Wesentlichen regelt der Leitfaden drei Aspekte im Vergleich zur Vorgängerfassung neu:
  1. der Monatsmarktwert soll künftig im Falle einer Einspeisemanagementmaßnahme vom Netzbetreiber nicht mehr ersetzt werden,
  2. dafür soll ein Anspruch auf Ersatz von in Folge der Einspeisemanagementmaßnahme gegebenenfalls entstandenen Bilanzkreiskosten bestehen
  3. und es werden neue Vorgaben zum Ersatz von entgangenen Wärmeerlösen gemacht.

Ab wann gilt der Leitfaden und müssen sich alle daran halten?

Die wichtigste Frage zuerst: Ab wann gilt der Leitfaden Einspeisemanagement 3.0 und ist seine Anwendung überhaupt verpflichtend?

Rechtlich verbindlich ist der Leitfaden – ebenso wie seine Vorgängerfassung – nicht. Dies stellt auch die Bundesnetzagentur selbst fest, wenn sie im Leitfaden ausführt, dass dieser nur eine „Einschätzung der Bundesnetzagentur zu wesentlichen Praxisfragen“ darstellt und „den betroffenen Netzbetreiben, Anlagenbetreibern, Unternehmen und Bürgern als Orientierungshilfe [dienen soll], um eine einheitliche Anwendungspraxis zu fördern um Rechtsunsicherheiten zu vermindern“ (vgl. Seite 4 des Leitfadens). Dies entspricht insoweit auch der Auffassung des OLG Düsseldorf, das in der Vergangenheit schon mehrfach festgestellt hat, dass Leitfäden der Bundesnetzagentur die geltende Rechtslage weder determinieren noch konkretisieren und grundsätzlich alleine auf die gesetzlichen Vorgaben abzustellen sei (vgl. Beschluss des OLG Düsseldorf vom 18. Januar 2017, VI-3 Kart 148/15 (V) und Beschluss des OLG Düsseldorf vom 6. Dezember 2017, VI-3 Kart 123/16 (V)).

Indes wird dem Leitfaden voraussichtlich eine hohe faktische Bindungswirkung zukommen

Indes wird dem Leitfaden voraussichtlich eine hohe faktische Bindungswirkung zukommen. Es verhält sich nämlich so, dass die Netzbetreiber die ihnen entstandenen Kosten für Entschädigungszahlungen für Einspeisemanagementmaßnahmen bei der Ermittlung der Netzentgelte in Ansatz bringen können. Das heißt, der Netzbetreiber trägt die Kosten nicht selbst, sondern kann diese im Rahmen der Netzentgelte wälzen. Dies aber nur dann, wenn die vom Netzbetreiber geleisteten Entschädigungszahlungen den gesetzlich erforderlichen Rahmen nicht übersteigen.

Und hier schließt sich dann der Kreis: Die Bundesnetzagentur geht nämlich davon aus, dass die Entschädigungszahlungen insbesondere dann angemessen waren, wenn sie gemäß der Maßgaben des Leitfadens erfolgten. Ist dies nicht der Fall, soll der Netzbetreiber hierauf hinweisen und insbesondere detailliert darlegen, auf welche Weise er gleichwohl eine sachgerechte und gesetzeskonforme Abrechnung der Entschädigungszahlungen sichergestellt hat (vgl. Seite 49 des Leitfadens).

Es kann deshalb wohl bereits jetzt prognostiziert werden, dass die Bundesnetzagentur eine vom Leitfaden abweichende Entschädigungspraxis kritisch auf den Prüfstand stellen und eine Wälzung über die Netzentgelte im Zweifel ablehnen wird. In diesem Fall bleibt dann der Netzbetreiber auf den Kosten sitzen, wenn er sich nicht seinerseits gegen eine ablehnende Entscheidung der Bundesnetzagentur erfolgreich zur Wehr setzt. Will der Netzbetreiber aber einer Auseinandersetzung mit der Bundesnetzagentur aus dem Weg gehen, so ist er bei Anwendung des Leitfadens auf der sicheren Seite (wenngleich er sich dann auf der anderen Seite vielleicht eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Anlagenbetreiber einhandelt – hierzu aber sogleich).

In zeitlicher Hinsicht gilt der Leitfaden seit seiner Veröffentlichung am 25. Juni 2018. Übergangsbestimmungen oder ähnliches finden sich nicht. Die Bundesnetzagentur macht insofern lediglich die Einschränkung, dass in der Vergangenheit liegende Sachverhalte, die abweichend von den neuen Regelungen entschädigt wurden, nicht rückabgewickelt werden müssen.

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Welche Neuregelungen enthält der Leitfaden im Hinblick auf die Höhe der Entschädigungszahlungen für den abgeregelten Strom?

Der Leitfaden enthält im Hinblick auf den abgeregelten Strom zwei wesentliche Neuerungen: zum einen soll der Monatsmarktwert im Falle einer Einspeisemanagementmaßnahme künftig nicht mehr vom Netzbetreiber entschädigt werden und zum anderen soll dafür ein Anspruch auf gegebenenfalls entstandene Kosten für Bilanzkreisabweichungen bestehen. Aufgrund von Bilanzkreisabweichungen entstehende Erlöse sollen – spiegelbildlich – als ersparte Aufwendungen angerechnet werden.

Dies begründet die Bundesnetzagentur im Wesentlichen damit, dass sie das – weder aus dem EEG ableitbare noch in der Praxis in relevantem Umfang vorkommende – Leitbild eines „direktvermarktenden Anlagebetreibers“ etabliert, der seinen Strom selbst vermarktet, die Bilanzkreisverantwortung innehat und insofern auch die Kosten für Bilanzkreisabweichungen trägt. Eine Entschädigung des Monatsmarktwerts müsse bei einem solchen „direktvermarktenden Anlagenbetreiber“ nicht erfolgen, da bei der im Rahmen der Direktvermarktung üblichen day-ahead-Vermarktung des erzeugten Stroms der Marktwert ja unabhängig von einer Einspeisemanagementmaßnahme realisiert würde. Deshalb seien – sofern nicht ohnehin der im Leitfaden vorgesehene bilanzielle Ausgleich durch den Netzbetreiber erfolge – auch nur die Kosten für den gegebenenfalls erforderlichen Ausgleich des Bilanzkreises zu ersetzen, nicht aber der Monatsmarktwert.

Dieses Leitbild des „direktvermarktenden Anlagenbetreibers“ überträgt die Bundesnetzagentur dann in einem nächsten Schritt auch auf die marktübliche Konstellation, dass ein Anlagenbetreiber seinen Strom über einen Direktvermarkter vermarktet bzw. an diesen verkauft. Hier stellt sich die Situation in der Praxis dann allerdings so dar, dass der Anlagenbetreiber in aller Regel den Marktwert gerade nicht erhält. Der Direktvermarkter, bei dem die Kosten für den Bilanzkreisausgleich entstehen, hat wiederum keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 EEG 2017 gegen den Netzbetreiber. Insofern würde am Ende der Anlagenbetreiber den Monatsmarktwert nicht erhalten, zugleich der Direktvermarkter aber auf seinen Kosten sitzen bleiben. An dieser Stelle behilft sich die Bundesnetzagentur dann mit einem juristischen Kniff: Sie geht davon aus, dass die Kosten für den Bilanzkreisausgleich vom Anlagenbetreiber im Wege der sogenannten Drittschadensliquidation im Rahmen des Härtefallausgleichs nach § 15 EEG 2017 direkt gegenüber dem Netzbetreiber geltend gemacht werden könnten.

Alternativ könne der Anlagenbetreiber, z.B. aufgrund der verhältnismäßig komplizierten Abwicklung, seinen entsprechenden Anspruch an den Direktvermarkter abtreten und den Direktvermarkter so in die Lage versetzen, Kompensation für den im Rahmen des Bilanzkreisausgleichs entstanden Schaden zu erlangen.

Die Sache hat leider nur einen Haken: Das Landgericht Bayreuth hat gerade erst entschieden, dass die Grundsätze der Drittschadensliquidation auf die Kosten von Bilanzkreisabweichungen im Falle der Direktvermarktung nicht anwendbar sind (Urteil des LG Bayreuth vom 19. März 2018, 13 HKO 29/16).

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Was ist neu im Hinblick auf Entschädigungszahlungen für Wärmeausfallmengen?

Die Bundesnetzagentur stellt nunmehr klar, dass auch die in KWK-Anlagen erzeugte Wärme einen wirtschaftlichen Wert hat. Sofern durch die Abregelung einer EE-Anlage, die über eine Wärmeauskopplung verfüge, auch die gekoppelte Wärmeerzeugung gemindert würde, könne der Anlagenbetreiber verschiedene Ansprüche geltend machen, die davon abhingen, wie der Anlagenbetreiber auf die Minderung der gekoppelten Wärmeerzeugung reagiere. Der Anlagenbetreiber habe dabei zwei Möglichkeiten: Er könne diese entweder hinnehmen oder für Ersatz sorgen.

In beiden Fällen stehe dem Anlagenbetreiber ein Ausgleich zu. Nehme der Anlagenbetreiber den Ausfall der Wärmemengen hin, könne er entgangene Wärmeerlöse geltend machen. Diese ermitteln sich dann aus der nicht eingespeisten Wärme und dem vereinbarten Wärmelieferungspreis. Darüber hinaus seien auch zusätzliche Aufwendungen ersetzbar, die beispielsweise durch den Einsatz einer angemessenen Ersatzwärmeversorgung, insbesondere für ggf. zusätzlich bezogenen Strom bzw. den eingesetzten Brennstoff entstehen.

Was nun?

Aus Anlagenbetreibersicht eröffnen sich letztlich verschiedene Optionen, wie mit dem Leitfaden Einspeisemanagement 3.0 umgegangen werden kann. Zum einen kann man natürlich zunächst einmal abwarten, ob der Anschlussnetzbetreiber die Vorgaben des Leitfadens umsetzt. Dabei sollte aber im Blick behalten werden, dass der Netzbetreiber – sofern noch nicht Verjährung eingetreten ist – auch in der Vergangenheit geleistete Zahlungen auf den Monatsmarktwert grundsätzlich wieder zurückfordern kann.

…sehr zweifelhaft, ob die Vorgaben im Leitfaden der Bundesnetzagentur mit dem recht klaren Wortlaut des § 15 EEG 2017 überhaupt vereinbar sind

Geschieht dies, bleibt der Weg der Klage. Es erscheint nämlich sehr zweifelhaft, ob die Vorgaben im Leitfaden der Bundesnetzagentur mit dem recht klaren Wortlaut des § 15 EEG 2017 („entgangene Einnahmen sind zu entschädigen“) überhaupt vereinbar sind.

Alternativ kann natürlich versucht werden, mit dem Direktvermarkter eine dahingehende Anpassung des Direktvermarktungsvertrages zu erreichen, dass der Monatsmarktwert künftig von diesem ausgezahlt wird. Es steht aber zu befürchten, dass der Direktvermarkter hierzu nur bereit sein wird, wenn gleichzeitig die wirtschaftlichen Konditionen des Vertrages angepasst werden.

Zusätzlich stellt sich dann die Frage, wie vertraglich sichergestellt werden kann, dass der Direktvermarkter eine Kompensation für die Kosten des Bilanzkreisausgleichs erhält. Ein Vertrauen auf die von der Bundesnetzagentur angeführten Grundsätze der Drittschadensliquidation dürfte sich vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung ausschließen. Insofern bleibt wohl nur, eine (wirksame) Abtretungsvereinbarung mit dem Anlagenbetreiber zu schließen.

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