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H2-Hintergrund

Netze und Speicher: Infrastruktur für grünen Wasserstoff

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Ein gut ausgebautes Wasserstoffnetz ist entscheidend für den Hochlauf von grünem Wasserstoff in Deutschland. Es ermöglicht die effiziente Verteilung von Wasserstoff von Produktionsstandorten, oft in Regionen mit hohem Potenzial für erneuerbare Energien, zu industriellen Verbrauchszentren und anderen Abnehmern. Benötigt werden neben Netzen perspektivisch aber auch Speicher für grünen Wasserstoff.

1. Ein Netz für grünen Wasserstoff

Ein solches Netz schafft die Infrastruktur, um Produktionsüberschüsse flexibel zu speichern und Engpässe auszugleichen, wodurch die Integration von grünem Wasserstoff in verschiedene Sektoren erleichtert wird. Zudem senkt ein flächendeckendes Wasserstoffnetz langfristig Transportkosten und bietet Anreize für Investitionen in Elektrolysekapazitäten, da Produzenten unabhängig vom Standort Abnehmer erreichen können. Der geplante Aufbau eines europäischen Wasserstoff-Backbone-Systems könnte Deutschland zusätzlich als zentrale Drehscheibe für den Wasserstoffhandel positionieren.

Eine Studie des Fraunhofer ISI bezeichnet den Aufbau einer H2-Transportinfrastruktur als No-Regret-Option, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Transformationspfade des Energiesystems.

H2-Kernnetz in Deutschland nimmt Gestalt an

Um den heimisch erzeugten Wasserstoff (und die importierten Mengen) zu den Verbrauchern zu transportieren, wird in jedem Fall ein Wasserstoffnetz benötigt. Mit der im Bundeskabinett im Mai 2023 beschlossenen EnWG-Novelle wurde der regulatorische Rahmen für das zukünftige Wasserstoffnetz gelegt, Pläne, die im August 2023 auch vom Bundesrat gewürdigt wurden. Die FNB Gas haben an den Entwurf der Novelle anknüpfend bereits im Juli 2023 die Planung für ein H2-Kernnetz vorgelegt. Im Juli 2024 wurde schließlich der Entwurf für das H2-Kernnetz bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Dieser Entwurf wurde – mit geringfügigen Anpassung – im Oktober 2024 von der Bundesnetzagentur genehmigt. Eine Übersicht über Reaktionen aus der Energiewirtschaft finden Sie hier.

Energiewirtschaft drängt auf Rahmen für H2-Verteilnetz

Mit dem Wasserstoff-Kernnetz allein ist es nicht getan. Das Wasserstoff-Verteilnetz spielt eine entscheidende Rolle für die Integration von grünem Wasserstoff in lokale und regionale Anwendungen. Während das Transportnetz großvolumigen Wasserstoff zwischen Produktionszentren und Großabnehmern bewegt, sorgt das Verteilnetz für die Feinverteilung in Industrieparks, zu mittelständischen Unternehmen oder städtischen Nutzern. Damit unterstützt es die Entwicklung dezentraler Anwendungen, etwa in der Wärmeversorgung oder im Verkehr.

Aktuell entstehen Konzepte, bestehende Gasverteilnetze schrittweise auf Wasserstoff umzustellen, um Kosten zu senken und den Übergang zu beschleunigen. Gleichzeitig wird an Technologien wie drucklosen Verteilnetzen und neuen Verdichterlösungen geforscht, um Effizienz und Sicherheit zu erhöhen. Ein leistungsfähiges Verteilnetz ist somit ein Schlüsselfaktor für die breite Marktdurchdringung von Wasserstoff.

Die Gasnetzbetreiber haben für eine Anbindung der Verteilnetze an die großen nationalen und internationalen Transportstrukturen einen Gasnetzgebietstransformationsplan entwickelt, der sich der regionalen Ausgestaltung von Wasserstoffnetzen bis zu den Endkunden befasst. Der Ergebnisbericht wurde im September 2023 vorgestellt. Die Energiewirtschaft hat bereits mehrfach betont, dass nach den ersten Schritten in Richtung des H2-Kernnetzes bald der Rahmen für den Aufbau der Verteilnetze geschaffen werden muss.

Der Blickpunkt Wasserstoff-Netz in Deutschland zeichnet die Berichterstattung von ContextCrew Neue Energie zum Ausbau des Wasserstoff-Netzes fortlaufend nach.

Fernleitungsnetzbetreiber wollen „Europäischen Wasserstoff Backbone“ aufbauen

Auch der Transport innerhalb von Europa rückt zunehmend in den Fokus. Im Juli 2020 haben elf Fernleitungsnetzbetreiber das Konzept eines „Europäischen Wasserstoff Backbone“ vorgestellt. Der europäische Wasserstoff-Backbone (European Hydrogen Backbone, EHB) ist ein strategisches Infrastrukturprojekt, das den Aufbau eines länderübergreifenden Wasserstoffnetzwerks in Europa vorsieht. Ziel ist es, die Produktion von grünem Wasserstoff in sonnen- und windreichen Regionen, etwa in Südeuropa und Nordafrika, mit großen Verbrauchszentren in der Industrie und im Verkehr in Mitteleuropa zu verbinden. Der Backbone soll größtenteils aus umgerüsteten bestehenden Erdgasleitungen bestehen, ergänzt durch neue Wasserstoffpipelines.

Die Bedeutung des EHB liegt in der Schaffung eines integrierten Marktes, der den Handel mit Wasserstoff erleichtert und Versorgungssicherheit gewährleistet. Es wird erwartet, dass die Initiative erhebliche Kostenersparnisse gegenüber einer ausschließlich lokalen Produktion und Nutzung von Wasserstoff ermöglicht. Der EHB-Plan sieht vor, bis 2030 erste Verbindungen zwischen Schlüsselmärkten fertigzustellen und das Netz bis 2040 auf über 50.000 Kilometer auszubauen. Dabei arbeiten Netzbetreiber und politische Entscheidungsträger eng zusammen, um regulatorische Hindernisse abzubauen und die Finanzierung sicherzustellen. Das Backbone ist somit ein zentraler Baustein für die europäische Klimaneutralitätsstrategie.

Dynamik gewinnt auch die Idee, Wasserstoff aus Norwegen über eine Pipeline nach Deutschland zu transportieren. Entsprechende Pläne wurden Anfang 2023 diskutiert. Der norwegische Energiekonzern Equinor und RWE haben vereinbart, gemeinsam „groß angelegte Wertschöpfungsketten für CO2-armen Wasserstoff“ zu entwickeln. Equinor hat die Pläne zur Produktion von blauem Wasserstoff in Norwegen und den Bau einer entsprechenden Pipeline nach Deutschland inzwischen eingestellt. Als Gründe wurden unter anderem die hohen Kosten und die mangelnde Nachfrage nach blauem Wasserstoff angeführt. Stattdessen konzentrieren sich beide Unternehmen nun verstärkt auf die Produktion von grünem Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien erzeugt wird.

In Südeuropa soll Mallorca zum ersten Wasserstoffknotenpunkt werden. Ohnehin entwickelt sich Spanien angesichts der klimatischen Rahmenbedingungen zum Hot Spot der europäischen Aktivitäten im Bereich grüner Wasserstoff. Acciona kooperiert hier mit Plug Power zur Versorgung der Iberischen Halbinsel. Noch weiter spannen die Partner von HyDeal Ambition den geographischen Rahmen: Sie wollen Spanien und Frankreich – und in einer weiteren Ausbaustufe auch Deutschland mit grünem Wasserstoff versorgen. Inwieweit etwa in Frankreich eine mächtige Atomlobby diese Pläne unterstützt, blieb Mitte 2022 abzuwarten. Die Pläne für den Ausbau der Leitung H2MED (Januar 2023) erscheinen aber robust.

Lesen Sie zum Thema Wasserstoff-Importe aus der EU auch den H2-Hintergrund Wasserstoff-Importe: Bedarf, Perspektiven und offene Fragen.

2. Potenzial und Bedarf für Wasserstoffspeicher in Deutschland

Neben den Netzen sind Wasserstoffspeicher eine Schlüsselkomponente für den erfolgreichen Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und darüber hinaus. Sie ermöglichen die zeitliche Entkopplung von Produktion und Nutzung, was besonders wichtig ist, da die Erzeugung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse stark von fluktuierenden erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarenergie abhängt. Ohne ausreichende Speicherkapazitäten könnten Produktionsspitzen nicht effizient genutzt werden, und die Versorgungssicherheit wäre in Zeiten niedriger Erzeugung gefährdet.

Arten von Wasserstoffspeichern

Wasserstoff kann in verschiedenen Formen gespeichert werden, darunter:

  1. Untergrundspeicher: Große Mengen an Wasserstoff können in Salzkavernen oder porösen Gesteinsschichten sicher gelagert werden. Diese Speicher sind kosteneffizient und bieten die Möglichkeit, saisonale Schwankungen auszugleichen.
  2. Druckgasspeicher: Für kleinere und mittlere Anwendungen, insbesondere im Mobilitätssektor, werden Hochdrucktanks eingesetzt, die Wasserstoff unter Drücken von bis zu 700 bar speichern.
  3. Verflüssigung: Flüssigwasserstoffspeicher (LH2) eignen sich für Anwendungen, die eine hohe Energiedichte erfordern, wie etwa im Luft- und Raumfahrtbereich. Der Energieaufwand für die Verflüssigung ist jedoch hoch.
  4. Chemische Speicher: Wasserstoff kann in chemischen Verbindungen wie Ammoniak oder Methanol gebunden werden. Diese Technologie ist besonders für den Transport über weite Entfernungen oder die Kopplung von Wasserstoff- und Chemiesektoren interessant.

Bedeutung für den Markthochlauf

Für den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wasserstoffwirtschaft sind Speicher notwendig, um Angebot und Nachfrage auszugleichen, Engpässe zu vermeiden und die Integration von Wasserstoff in verschiedene Anwendungen zu erleichtern. Sie stabilisieren die Versorgung, ermöglichen eine kosteneffiziente Nutzung der Infrastruktur und reduzieren die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Insbesondere Untergrundspeicher bieten das Potenzial, große Mengen Wasserstoff langfristig zu speichern und somit als „Puffer“ für Industrie, Verkehr und Energieversorgung zu dienen.

Aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen

Der Ausbau von Wasserstoffspeichern steht jedoch vor Herausforderungen. Technologische und regulatorische Hürden sowie hohe Investitionskosten bremsen derzeit die Entwicklung. Gleichzeitig arbeiten Unternehmen und Forschungseinrichtungen an innovativen Konzepten, um die Effizienz und Wirtschaftlichkeit von Speichertechnologien zu verbessern. Politische Fördermaßnahmen und klare Rahmenbedingungen sind essenziell, um den Ausbau der Speicherinfrastruktur voranzutreiben.

Als besonders gut geeignet für die Wasserstoffspeicherung gelten Kavernenspeicher, bei Porenspeichern ist der Einzelfall zu analysieren. Eine Vorreiterrolle nimmt bei der Speicherung der Energiedienstleister EWE ein, der derzeit eine Wasserstoff-Testkaverne im brandenburgischen Rüdersdorf errichtet hat. Im Rahmen des Projekts erhofft sich das Unternehmen Erkenntnisse darüber, welchen Reinheitsgrad der Wasserstoff aus der Kaverne hat, wenn er eine Zeitlang in der Kaverne gespeichert wurde. Dieses Kriterium sei besonders wichtig für die Wasserstoffanwendung im Mobilitätssektor. Im Dezember 2024 gab es hier positive Nachrichten.

Auch in anderen Projekten wird die Speicherung von Wasserstoff in Kavernen untersucht, etwa im Projekt H2Cast. Um die Entwicklung für H2-Speicher zu forcieren, hat die Initiative Energie Speichern (INES) im Oktober 2023 die Idee von Differenzverträgen für solche Speicher ins Spiel gebracht. Eine Marktabfrage zum Wasserstoff-Speicherbedarf hat die Oldenburger EWE im September 2023 gestartet.

Hier finden Sie eine Übersicht mit Projekten zur Speicherung von Wasserstoff

Auch in den Erdgasnetzen kann Wasserstoff gespeichert werden, Forschungsprojekte sollen zeigen, wie hoch der Anteil von Wasserstoff ist, der dem Erdgas problemlos zugemischt werden kann. Eine Anlage von Linde in Dormagen zeigt, wie einem Erdgas-Wasserstoff-Gemisch wieder reiner Wasserstoff entnommen werden kann. Der im September 2022 veröffentlichte „EnWG-H2-Bericht“ kommt zu dem Schluss, dass die Gas-Versorgung in Deutschland bereits heute in einer ganzen Reihe von Anwendungsfällen auf Wasserstoff umgestellt werden kann.

Eine Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) vom Oktober 2024 bestätigt, dass es künftig einen erheblichen Bedarf an Wasserstoffspeichern geben wird. Ihre Bedeutung liegt der Untersuchung zufolge insbesondere in der Sicherstellung der Versorgungssicherheit im Strombereich: Große Speicherkapazitäten werden benötigt, um das saisonale Gefälle der Nachfrage durch Wasserstoff-Kraftwerke zu überbrücken. Ein FAQ zum Thema H2-Speicher vom August 2024 finden Sie hier.

Das H2-Dossier der ContextCrew im Überblick:

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