Der Netzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH und die InfraLeuna GmbH haben einen Vertrag über den Bau und Betrieb einer Power-to-Heat-Anlage (PtH) auf dem Chemiestandort Leuna unterzeichnet. In der Anlage soll nach dem Prinzip „Nutzen statt Abregeln“ Ökostrom aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen in Prozessdampf umgewandelt werden.
InfraLeuna plant, baut und betreibt die Anlage, 50Hertz übernimmt die Investitionskosten in Höhe von 13,6 Mio. Euro und bezieht sie in das Management von Stromnetzengpässen ein. Statt Wind- oder Solaranlagen abzuregeln, kann künftig überschüssiger Ökostrom in die PtH-Anlage fließen und dort in Prozessdampf umgewandelt werden.
Die PtH-Anlage besteht aus einem Elektrodenkessel mit einer elektrischen und thermischen Leistung von jeweils ca. 35 MW, in dem Wasser durch Strom erhitzt wird. Pro Stunde werden 45 Tonnen überhitzter Prozessdampf erzeugt und in das Dampfnetz des Chemiestandortes eingespeist. Das dabei erreichte Druckniveau von 47 barü werde mit dieser Technologie europaweit zum ersten Mal erreicht, heißt es bei 50Hertz.
„Schaffen in Leuna ein einzigartig reaktionsfähiges Energiesystem“
Insbesondere am Chemiestandort Leuna, in dem Wärmeenergie in großen Mengen benötigt wird, ermögliche die Technologie eine erhebliche Reduktion von CO₂-Emissionen und stärke zugleich die Resilienz der Unternehmen gegenüber volatilen Energiemärkten. Nach mehr als zwei Jahren Konzeptarbeit geht es nun in die Umsetzung. „Der Elektrodenkessel mit den bisher unerreichten Parametern 47 barü und 320 °C ist maßgeschneidert für unser Hochdruck-Dampfsystem. In Kombination mit unseren hochflexiblen Gas- und Dampfturbinenkraftwerken schaffen wir in Leuna ein einzigartig reaktionsfähiges Energiesystem“, sagt Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna.
Die Kraftwerke der InfraLeuna können immer dann zurückgefahren werden, wenn die PtH-Anlage Ökostrom aufnimmt und in Wärmeenergie umwandelt. So kann bei steigendem Anteil regenerativ erzeugten Stroms der Einsatz von Erdgas weiter reduziert und ein großer Schritt in Richtung CO2-Neutralität des Standortes gemacht werden. Der Baubeginn ist für Mitte dieses Jahres geplant, die Inbetriebnahme wird im ersten Quartal 2026 erwartet. „Gerade in der aktuell sehr angespannten Situation der chemischen Industrie hilft uns dieser Kessel. Denn mit diesem zukunftsweisenden Power-to-Heat-Projekt reduzieren wir Netzengpässe, nutzen überschüssigen Strom, sparen wertvolles Erdgas und sichern die verlässliche Prozessdampfversorgung unserer Kunden am Chemiestandort Leuna“, betont Günther.
Ausbau der Stromübertragungsnetze bleibt „wichtigste Maßnahme“
Die 50Hertz-Systemführung bei Berlin könne die PtH-Anlage für das Engpassmanagement einsetzen“, sagt Dirk Biermann, Geschäftsführer Operations (COO) von 50Hertz. „Das entlastet das Stromnetz doppelt – durch zusätzlichen Stromverbrauch in der Power-to-Heat-Anlage und gleichzeitig geringere Strom- und Wärmeproduktion im Kraftwerk.“ Anstatt Entschädigungen für nicht produzierten Strom zu bezahlen, erhalte man zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität mit der Anlage ein wirksames Instrument an die Hand. „Der mitteldeutsche Raum bietet für dieses Konzept gute Voraussetzungen, weil es hier sowohl zentrale Wärmeversorgungssysteme als auch ein hohes Aufkommen an Windstrom und inzwischen auch große Freiflächensolaranlagen gibt.“
Um in Zukunft Netzengpässe zu entschärfen, bleibe der Ausbau der Stromübertragungsnetze „als wichtigste Maßnahme“ erforderlich. Ergänzend müssten unterschiedliche Speichersysteme hinzukommen, dazu könnten auch PtH-Anlagen in der Industrie und in Kommunen mit Fernwärmenetzen und ggf. Wärmespeichern beitragen.