Eine der großen Herausforderung der Energiewende wird in den kommenden Jahren die Mobilisierung von Ressourcen sein. Es geht dabei ebenso um die Verfügbarkeit von knappen Rohstoffen, Komponenten und Fachkräften wie um die Bereitstellung des erforderlichen Kapitals. Gerade auf der Finanzierungsseite wird es darauf ankommen, private Investitionen zu fördern, was über Teilhabe auch die Akzeptanz der Energiewende stärkt. Bestehende Finanzierungsmöglichkeiten erschweren häufig die Beteiligung von Bürgern an der Energiewende. Die Digitalisierung bietet hier neue Chancen. Großes Potenzial besitzt die „Tokenisierung“ von Assets wie Windenergieanlagen. (Quelle für Symbolbild: ContextCrew)

In dem vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) geförderten Projekt „Rückenwind“ arbeiten die Projektpartner Hochschule Karlsruhe, let’s dev GmbH und WIV GmbH an entsprechenden Lösungen. Die Grundidee besteht darin, den Asset digital in eine festzulegende Zahl an „Token“ aufzugliedern. Die Token als digitale Eigentumsrechte am Asset können wiederum gehandelt werden, wobei das gesamte System in die Blockchain-Technologie eingebettet ist. Durch die Wahl der Zahl der Token für eine Windkraftanlage kann der Eigentümer die Granularität der Vermarktung bestimmen. Auch die Frage, welcher Anteil der Anlage für eine Drittbeteiligung zur Verfügung gestellt wird, entscheidet der Betreiber der Windkraftanlage selbst.

Die Tokenisierung erlaubt somit eine feingliedrige Steuerung der Beteiligungsmöglichkeit. So könnte es etwa für private Haushalte möglich werden, sich mit 50 € an einer konkreten Windenergieanlage zu beteiligen. Der Wert des handelbaren Tokens ist dabei – ähnlich dem einer Aktie am Aktienmarkt – abhängig von Angebot und Nachfrage.

Einer der Initiatoren des Rückenwind-Projekts ist Prof. Carsten Hahn von der Hochschule Karlsruhe, der Technologiepartner let’s dev zeichnet für die Entwicklung der Plattform verantwortlich. Im Interview mit dem Kooperationspartner wind-turbine.com macht Hahn deutlich, dass die Tokenisierung nicht nur für die Beteiligung am Asset selbst, sondern auch auf der Stromerzeugungsseite zum Einsatz kommen kann. Entsprechende Blockchain-basierte Modelle für Strom aus Post-EEG-Anlagen über regionale Vermarktungsplattformen haben sich in den vergangenen Jahren bereits entwickelt. Im Projekt Rückenwind analysieren die Partner, wie sich solche Produktions-Token mit den Asset-Token im „Zweikreis-System“ kombinieren lassen. Beispielsweise könnten Produktions-Token in einen Asset-Token transformiert werden. „Man kann sich das vorstellen wie die Rendite eines Investment-Fonds, den man auch in weitere Fondsanteile transformieren kann“, sagt Hahn.

Digitale Lösung wird auf Plattform für Stakeholder „greifbar und erklärbar“ gemacht

Noch besteht Forschungs- und insbesondere Aufklärungsbedarf, bevor die Tokenisierung – die auch in vielen anderen Bereichen wie etwa dem Kunstmarkt Anwendungsfelder findet – als Alternative zu klassischen Finanzierungsmodellen breiteren Raum findet. Hahn sieht das Vorhaben aber auf einem guten Weg, mit einem Minimal Viable Product bald an den Start gehen zu können, also einem Angebot, das für die Beteiligten bereits Mehrwerte schafft, ohne „perfekt“ zu sein. Bei „Rückenwind“ werde Wert darauf gelegt, dass das innovative Geschäftsmodell durch konkrete User Interfaces der digitalen Lösungen aller Stakeholder wie Inhaber und Anleger „greifbar und erklärbar gemacht wird“. Gerade in der Startphase hält es Hahn für wesentlich, dass der gesamte Prozess von einer Tokenisierungs-Plattform wie Rückenwind moderiert und durchgeführt werden, da der einzelne Windkraftanlagen-Inhaber damit überfordert wäre.

Einflussfaktoren auf den Preis von Asset-Token

Wenn die Windkraftanlage digital in Asset-Token aufgeteilt wird und diese handelbar sind, resultiert der Preis der Token aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Eine Reihe von Faktoren spielt damit für die Preisentwicklung eine Rolle, wie Prof. Carsten Hahn von der Hochschule Karlsruhe ausführt.

  • Nachfrage nach den Token: Ist die Windkraftanlage ein attraktives Anlagegut, dann wird der Preis steigen.
  • Angebot alternativer Token anderer Windkraftanlagen: Gibt es viele vergleichbare Windkraftanlagen, dann wird der Preis des Tokens fallen.
  • Erwartete Lebensdauer der Anlage: Mit der Zeit wird der Preis – ähnlich einer Schuldverschreibung auf Zeit – fallen, da die erwarteten Erträge durch die Stromproduktion endlich sind.
  • Zustand der Anlage: Wird eine Anlage gut gewartet und ist der Zustand gut bis sehr gut, so wird auch der Preis des Tokens steigen.
  • Marktpreis des produzierten Stroms: Gibt es ein Überangebot an erneuerbarer Energie, so wird auch der Preis des Tokens der Anlage sinken.

Grundsätzlich ist laut Hahn der Vergleich mit Aktien eines Unternehmens sinnvoll. „Allerdings sind Unternehmen sehr komplexe Gebilde, deren Erfolg weitaus mehr Einflussfaktoren hat als die einer Windkraftanlage.“

Die Vorteile des Ansatzes liegen auf der Hand. Durch die digitale Stückelung in beliebig kleine Anteile ist die Hürde für einen Einstieg in ein geplantes oder bereits laufendes Windenergieprojekt erheblich niedriger. Auch Investoren mit kleinem Budget könnten so zu Miteigentürmern von Windenergieanlagen werden, zu ihrer Finanzierung beitragen und an ihren Erträgen partizipieren, heißt es bei wind-turbine.com. Hinzu kommt die dezentrale Struktur der Blockchain und ihre Effizienz. „Sie erlaubt es, nahezu ohne bürokratischen Aufwand, ohne mitverdienende Makler sowie unabhängig von Finanzmärkten Assets zu tokenisieren und diese Anlegern rund um den Globus zugänglich zu machen – in Echtzeit.“

Details und Hintergründe zum Projekt Rückenwind finden sich unter rueckenwind.info.

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