Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben im Rahmen der neunmonatigen Sondierungsphase des Ideenwettbewerbs „Neue Produkte für die Bioökonomie“ eine „Pille“ gegen die Übersäuerung von Biogasanlagen entwickelt. Das geht aus einer Broschüre des Bundesforschungsministeriums (BMBF) hervor, das den Ideenwettbewerb fördert. Hintergrund der Biogas-Pille ist, dass Biogasanlagen durch eine Übersäuerung ein großer wirtschaftlicher Schaden entstehen kann. „Im Extremfall stürzt die Anlage ab und es braucht Monate, um sie wieder in Gang zu bringen“, sagte Umweltingenieur Fabian Bonk vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.
Rund 1.000 Übersäuerungsfälle pro Jahr
In der Sondierungsphase fanden die Forscher heraus, dass es in den bundesweit rund 9.000 Biogasanlagen durchschnittlich etwa 1.000 Übersäuerungsfälle pro Jahr gibt. Als Alarmzeichen gilt das Absinken der Methanproduktion. Mit aufwendigen Analysen lässt sich in solchen Fällen erkennen, ob sich in den Gärbehältern organische Säuren ansammeln. Als Sofortmaßnahme gegen die Übersäuerung wird bislang die Zufuhr an Biomasse verringert. Zudem werden Chemikalien eingesetzt, um den pH-Wert zu regulieren und die überschüssigen organischen Säuren auszubalancieren. Das hält die Biogasproduktion aufrecht, ist aber meist teuer erkauft. Eine landwirtschaftliche Biogasanlage 60 Tage lang mit 30 Prozent weniger Ertrag zu fahren, koste den Anlagenbetreiber etwa 40.000 €.
UFZ-Forscher setzen auf mikrobielle Helfer
Das wollen die Leipziger Umweltforscher ändern. Die Idee: Sie wollen eine Art Biogas-Pille entwickeln, ein biobasiertes Gegenmittel, das die Übersäuerung in den Gärbehältern schnell und effektiv bekämpfen hilft. Dabei setzen die Forscher nicht auf Chemikalien, sondern auf mikrobielle Helfer. „Wir stellen ein Additiv bereit, das auf die mikrobielle Gemeinschaft im Fermenter einwirkt und das Problem der Übersäuerung löst“, so Bonk.
Tests bisher nur in Miniatur-Biogasanlage
Nachdem die Wissenschaftler im Labor einen Prototyp der „Pille“ entwickelt hatten, testeten sie diese in einer Miniatur-Biogasanlage. Dazu stellten sie in einem 15-Liter-Bioreaktor künstlich eine Übersäuerung nach. Die ersten Ergebnisse seien vielversprechend. Klar sei jedoch: Die Pille für die Biogasanlage fällt deutlich größer aus als die Pendants im Medikamentenschrank daheim.
Gründung eines Start-ups geplant
Im Rahmen einer Machbarkeitsphase will das Forschungsteam um Bonk die sogenannte Pille, bei der es sich bei großen Fermentern vielmehr um eine Radladerschaufel voll Substanz handelt, nun technisch weiterentwickeln. Das Ziel der nächsten Etappe ist der Test der Biogas-Pille unter realen Bedingungen an einer Großanlage. Ein weiteres Ziel: Auch die Betreiber kleinerer Anlagen, wie sie in Entwicklungsländern in Haushalten zum Kochen genutzt werden, sollen einmal von der Produktidee aus Leipzig profitieren. Bonks Bestreben ist es, die Biogas-Pille in einem Start-up umzusetzen und auf den Markt zu bringen.