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VDE empfiehlt Batterien von Elektroautos zur weiteren Elektrifizierung des Schienenverkehrs

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Von den sinkenden Batteriekosten im Bereich des Straßenverkehrs könnte auch der Schienenverkehr profitieren. Das geht aus der Studie „Batteriesysteme für Schienentriebzüge“ hervor, die der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) erstellt hat. Der VDE empfiehlt deshalb, bei Zügen auf dieselben Batterietechnologien wie bei Straßenfahrzeugen zu setzen.

Das deutsche Eisenbahnnetz umfasst etwa 40.000 Kilometer, von denen nur 23.000 Kilometer mit Oberleitungen elektrifiziert sind. Auf den restlichen 17.000 km fahren 2.900 zum Teil über 20 Jahre alte Dieseltriebzüge mit einer entsprechend alten Abgas-Technik. „Für diese Züge gelten keinerlei Auflagen für den Ausstoß von Luftschadstoffen. Eine große Hypothek für die Umwelt- und Klimapolitik, und den Fahrern von älteren Dieselautos mit EURO 4 oder weniger angesichts der drohenden Fahrverbote kaum vermittelbar“, sagte Wolfgang Klebsch, Mobility-Experte im VDE und Autor der Studie in Berlin. Mittel- und langfristig führe daher aus VDE-Sicht auch bei der Eisenbahn kein Weg an alternativen Antriebssystemen vorbei.

Batterie-Antriebe als sinnvolle Option für Nebenstrecken

Ein Ausbau von elektrischen Oberleitungen auf mehr Strecken wäre hingegen teuer und würde zu lange dauern. Eine komplette Elektrifizierung der deutschen Nebenstrecken würde mindestens 11,5 Mrd. € kosten. „Man rechnet mit einer bis zwei Mio. € pro km für die Elektrifizierung der Schienenstrecke. Bei 17.000 km käme da ein hübsches Sümmchen zusammen“, sagte Klebsch. Das wäre kaum wirtschaftlich und würde auch zu lange dauern angesichts des typisch langwierigen Planfeststellungsverfahrens von acht bis zehn Jahren. Eine andere, schneller realisierbare Option eröffnen batteriebasierte Antriebe. „Klimaneutral werden solche Lösungen, wenn der benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt“, so Klebsch weiter.

Vor diesem Hintergrund fördert das BMVI die Entwicklung emissionsarmer Antriebe für Triebzüge des Schienen-Personennahverkehrs und gab die Studie beim VDE in Auftrag. In seinem Fazit stellt der VDE ein alternatives Batteriekonzept vor, das sich an den von der Automobilbranche vorgegebenen Innovationszyklen für Lithium-Ionen-Zellen orientiert und damit auch wesentliche Kostenvorteile bietet mit dem positiven Nebeneffekt einer höheren und zunehmenden Reichweite.

Harte Anforderungen an Traktionsbatterien in Zügen

Die Anforderungen an Schienentriebzüge sind hart, da diese fast rund um die Uhr bis zu 30 Jahre lang bei jedem Wetter im Einsatz sind, meist 20 Stunden am Tag. Der Anspruch an die Zuverlässigkeit und Qualität von Schienentriebzügen sei daher sehr hoch, schreibt der VDE. Genauso hart seien auch die Anforderungen an die in den Zügen integrierten Batteriepacks, insbesondere im Hinblick auf Lade- und Entladeströme, Sicherheit, Tieftemperatur-Performance, Betriebszeit und Zyklenfestigkeit. Bislang setzt die Branche auf Lithium-Ionen-Zellen mit Anoden aus Lithium-Titanatoxid (LTO), was eine zuverlässige, aber auch sehr teure Lösung darstelle. LTO-Zellen haben zudem den Nachteil, dass ihre Energiedichte sehr gering ist und sie dem Fahrzeug damit erhebliche Gewichtsprobleme bescheren können.

„Jedoch darf man die technischen Anforderungen an den Zug und an die Batteriepacks nicht einfach 1:1 auf die Batteriezellen übertragen. Das wäre zu kurz gedacht“, wirft der VDE-Experte ein. Stattdessen können Hersteller von Zügen die harten Triebzug-Anforderungen mit geeigneten Maßnahmen auf Batteriepackebene erfüllen, indem sie beispielsweise die einzelnen Zellen wirksam thermisch isolieren oder mit Hilfe eines intelligenten Batterie- und Thermomanagementsystem jede Zelle durch gezieltes Vorwärmen oder Kühlen im optimalen Betriebszustand halten und überwachen. Dann ließen sich die harten Anforderungen auf Zellebene wesentlich entspannen. Gleichzeitig eröffne sich die Möglichkeit, auch weitaus günstigere Standard-Zelltechnologien zu verwenden.

Kombination aus Reichweiten- und Dynamikbatterie am wirtschaftlichsten

Während eine hohe Leistungsdichte vor allem beim Anfahren und Beschleunigen gefordert ist, steht in den übrigen Fahrtphasen bei moderateren Entladeströmen die Reichweite im Fokus. Daher sehen die VDE-Experten eine Lösung mit zwei Traktionsbatterien – eine mit der Funktion Dynamik, die andere mit der Funktion Reichweite – als eine sinnvolle Alternative. Das Gesamt-Batteriesystem wäre hier in zwei parallele Stränge aufgeteilt: in eine Reichweiten-Batterie mit hoher Energiedichte und eine Dynamik-Batterie mit hoher Leistungsdichte. Letztere wird für die Beschleunigung genutzt und dient der Speicherung der Rekuperationsenergie aus den Elektromotoren.

Wie der VDE in seiner Studie ausführt, kann sich eine auf LTO-basierende Lösung auch über die Lebenszeit des Zuges von 30 Jahren als teurer erweisen als eine kombinierte Reichweiten- und Dynamik-Lösung. Denn mit einem signifikanten Preisverfall bei auf LTO-basierenden Traktionsbatterien sei langfristig nicht zu rechnen: Die Nachfrage sei im Vergleich zu Batterien für Elektroautos recht gering. Zudem bieten nur wenige Hersteller wie Toshiba oder Kokam die Spezialtechnologie LTO an. Damit entfalle der für Preissenkungen notwendige Wettbewerb. Zudem seien auf LTO-Basis kaum noch größere Innovationssprünge zu erwarten.

Standard-Zellchemien wie NCA/C (Panasonic, Tesla), NCM/C (alle relevanten Hersteller in Japan und Korea) oder LFP/C (vor allem Hersteller aus China) sind dagegen wirtschaftliche Alternativen zu LTO, weil diese sich auf dem von der Automobilbranche vorgegebenen Innovationspfad befinden. „Der Innovationsdruck ist bei dieser Vielzahl von Herstellern enorm“, sagte Dr. Wolfgang Klebsch. Mittelfristig würden so die Kosten für typische Reichweitenbatterien fallen und nicht stagnieren wie das bei LTO der Fall sei. Die Automobilbranche erwartet bis 2030, dass die Grenzkosten für Lithium-Ionen-Zellen auf unter 100 € pro kWh fallen.

Kathodenmaterial NCM bietet der Studie zufolge Zukunftssicherheit

Für die VDE-Experten überzeugt das Kathodenmaterial NCM hinsichtlich der Planbarkeit seiner Verbesserungen und Optimierungen, insbesondere angesichts der Vielzahl von Zellherstellern, die sich weltweit beteiligen. Es biete die Option, im Prinzip unabhängig von der gewählten Anode höhere Energiedichten zu realisieren. „Die Wahl einer Batterielösung für Triebzüge entspricht letztlich der Entscheidung an einer Weiche, die auf zwei separate Technologie-Schienen führt. Wer auf LTO setzt, denkt konservativ an lange Laufzeiten von 30 Jahren mit wenigen Wartungszyklen und ist bereit, hierfür einen hohen Preis zu zahlen. Wer auf NCM/C setzt, will an Innovationszyklen teilhaben und erwartet, dass sich über die Zeit nicht nur die Kosten rechnen, sondern auch die Reichweite ständig verbessert“, so Klebsch.

„Unabhängig davon, für welchen der möglichen Pfade sich die Hersteller entscheiden, möchte der VDE letztendlich erneut an die Politik appellieren, die Batterieforschung in Deutschland stärker zu fördern. Gleiches gilt für innovative Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind. Die Entwicklung von Batteriezügen würde der VDE umso mehr begrüßen, wenn zukünftig auch deutsche und europäische Anbieter bei innovativen Zelltechnologien beteiligt sein werden“, schließt der VDE-Experte ab.

Die komplette Studie kann für 250 € im VDE-Shop erworben werden.

Lesen Sie dazu auch:

TU Berlin: Deutsche Bahn startet 2019 den Testbetrieb für einen batteriebetriebenen Zug

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