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VDI-Studie: Speicher zur Minimierung von Spitzenlasten lohnen sich für KMU noch nicht

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Der Bedarf an stationären Energiespeichersystemen wird künftig wachsen. Davon geht der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) aus. Die Minimierung von Spitzenlasten mithilfe von Energiespeichersystemen wird allerdings erst einen wirtschaftlichen Mehrwert für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erzielen, wenn die Speichertechnologien preisgünstiger werden. Zu diesem Ergebnis kommt das VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE) in einer neuen Studie, die drei aufgrund von Kriterien wie Marktreife, Wirkungsgrad und Zyklenfestigkeit ausgewählte Energiespeichersysteme ökologisch und ökonomisch analysiert.

Gegenüberstellung der Marktrelevanz der Energiespeicher:

Quelle: VDI ZRE

Als Resultat des Auswahlprozesses und unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus Experteninterviews wurden Blei-Säure-Speichersysteme, das Schwungrad-Speichersysteme und das Lithium-Eisenphosphat-Speichersysteme für die weitere Untersuchung ausgewählt. Bei allen drei Energiespeichersystemen sind die Investitionskosten höher als die erzielten Netzentgelteinsparungen, die sich mit dem in dieser Studie betrachteten Anwendungsszenario erzielen lassen.

In dem Szenario geht es um die Minimierung von Lastspitzen im Stromverbrauch eines KMU mit Stromanschluss auf Niederspannungsebene und 1-Schicht-Betrieb werktags zwischen 7:00 Uhr und 17:30 Uhr. Die Lastspitzen im Stromverbrauch eines KMU müssen von 100 kW elektrischer Wirkleistung für eine Stunde pro Werktag über einen Vergleichszeitraum von einem Jahr minimiert werden.

Lithium-Eisenphosphat-Batterien haben geringste Gesamtkosten

Zur ökonomischen Beurteilung hat der VDI ZRE die Gesamtkosten der drei Energiespeichersysteme über einen Zeitraum von 20 Jahren berechnet und auf ein Jahr diskontiert. Anschließend hat er bestimmt, in welcher Höhe die Netzentgeltreduktion liegen müsste, um die Gesamtkosten gerade eben aufzuwiegen (Break-even-Netzgeltreduktion). Hierfür müsste die Reduktion des Netzentgelts jährlich mindestens 283 € je kW beim Blei-Säure-Speichersystem bzw. 157 € je kW beim Lithium-Eisenphosphat-Speichersystem betragen. Beim Schwungrad-Speichersystem wäre pro Jahr aufgrund der hohen Investitionskosten und des höheren Platzbedarfs eine Reduktion der monatlichen Netzentgelte in Höhe von 1.889 € je kW erforderlich.

Aus technischer Sicht wären Schwungrad-Speichersysteme für eine Minimierung von Spitzenlasten in KMU jedoch durchaus geeignet, wenn sie kleiner und damit kostengünstiger dimensioniert würden. Die Betriebsweise des Schwungrads müsste dafür angepasst werden, um wiederholte kurzzeitige Lastspitzen im Minutenbereich zu überbrücken.

Schematische Darstellung der Minimierung von Spitzenlasten mit Zwischenladezyklen bei Schwungrädern:
 
Quelle: VDI ZRE

In solchen Fällen haben Schwungrad-Speicher VDI ZRE zufolge aufgrund ihrer hohen Zyklenfestigkeit deutliche Vorteile gegenüber den elektrochemischen Energiespeichersystemen. Beim kleiner dimensionierten Schwungrad-Speichersystem wäre damit pro Jahr eine Reduktion des Netzentgelts von 178 € je kW ausreichend.

Gegenüberstellung der Gesamtkostenrechnung mit modifiziertem
Schwungrad-Speichersystem (Betrachtungszeitraum von 20 Jahren):
 
Quelle: VDI ZRE

Weitere Faktoren können zur Wirtschaftlichkeit führen

Auch wenn es für KMU noch nicht wirtschaftlich sei, eine der drei Technologien zur Minimierung der Spitzenlast einzusetzen, könnten sich die Speicher trotzdem lohnen. Wenn es für die Unternehmen weitere Gründe für den Einsatz der Speicher gebe, könne die Nutzung aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sein. Zu den möglichen Gründen zählt VDI ZRE beispielsweise prozesstechnische Erfordernisse, Netzstabilisierung oder Eigenbedarfsoptimierung in Kombination mit der Nutzung erneuerbarer Energien.

Ökologische Beurteilung fällt bisher ernüchternd aus

Auch aus ökologischer Perspektive weise die Nutzung der betrachteten Energiespeichersysteme zur Minimierung von Spitzenlasten keine Vorteile auf. Infolge der Verlustleistung resultierten aus dem Einsatz von Energiespeichersystemen ein höherer Stromverbrauch und dadurch höhere Treibhausgasemissionen als bei der Duldung von Lastspitzen, so VDI ZRE. Außerdem entstehe bei der Herstellung der Energiespeichersysteme zusätzlicher Bedarf an energetischen und materiellen Ressourcen.

Diese ökologische Gesamtbewertung gelte jedoch nur innerhalb der in dieser Studie betrachteten Systemgrenzen. Ein ökologischer Vorteil der Nutzung von Energiespeichersystemen in anderen Anwendungsfeldern sei damit nicht ausgeschlossen. Dazu könne beispielsweise die Nutzung dezentraler Energiespeicher zur Eigenbedarfsoptimierung in Kombination mit erneuerbaren Energien zählen.

Zeitliches Lastmanagement ökologisch und ökonomisch bisher vorteilhafter

Aus ökologischer und ökonomischer Perspektive sei damit aktuell die Minimierung von Spitzenlasten mit einer zeitlichen Verschiebung der Lasten (zeitliches Lastmanagement) in Unternehmen einfacher erreichbar als mit dem Einsatz von Energiespeichersystemen. Letztere hätten infolge der unvermeidlichen Energieverluste bei der Stromumwandlung einen eher geringen Wirkungsgrad. Das aktive Energiemanagement in KMU bleibe aber vor allem für die energieintensiven Unternehmen ein Erfolgsfaktor. Bei den heterogenen Anwendungen in der industriellen Produktion komme es auf den Einzelfall an.

Der Einsatz von Energiespeichern in KMU steht zudem erst am Anfang. Zukünftig seien Simulation und Auslegung von Energiespeichersystemen sowie die Auslegung der Integrationsfähigkeit und der Schnittstellen von den Ener-giespeichersystemen auf die gewerbliche Nutzung wesentliche Erfolgsfaktoren. Mit der Betriebsführung können Speichersysteme wirtschaftlich dimensioniert werden.

Kombination von Speicher-Technologien empfehlenswert

Besonders bei Anwendungsfällen mit sehr hohen kurzen Lastspitzen und hohen Leistungspreisen sei eine wirtschaftliche Machbarkeit erreichbar, heißt es in der Studie weiter. Hierfür seien weiter sinkende Investitionskosten bei den Speichertechnologien notwendig und Kombinationen verschiedener Technologien sinnvoll. Als Beispiel nennt VDI ZRE die Kombination von Schwungradspeichern und Lithium-Ionen-Batterien.

Optimierungsmöglichkeiten beim Einsatz von Speichern in KMU

Die Experten vom VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE) sehen beim Einsatz von Energiespeichersystemen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Optimierungsmöglichkeiten. In der Diskussion der Ergebnisse aus der Studie zu stationären Energiespeichersystemen in der industriellen Produktion schlagen sie drei Optionen vor:

1. Nutzen von Gleichstrommotoren an Maschinen oder Anlagen, die im Batchmodus gefahren werden und bekanntermaßen zu singulären Lastspitzen führen:

Dies könnten beispielsweise Pumpen und Rührwerke für viskose Substanzen (z. B. Teig) sein oder sporadisch genutzte Hubeinrichtungen für Schwerlasten. Auch andere gleichstrombasierte Prozesse, wie galvanische Verfahren, ließen sich mittels eines DC/DC-Wandlers direkt mit einer Gleichstromquelle verbinden.

2. Nutzen von Bremsenergien zur Aufladung der Energiespeichersysteme:

Diese Option nutzt die in rotierenden oder bewegten Anlagenteilen enthaltene kinetische Energie zur Erzeugung von Strom, anstatt sie mittels Bremsen in Wärme umzuwandeln. Diese Art der Stromerzeugung erfolgt oft in Intervallen, die sich schwer mit der Stabilität des betrieblichen Niederspannungsnetzes harmonisieren lassen. Der Einsatz von Energiespei-chern, insbesondere Schwungrädern, könnte hier eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Ergänzung zur Minimierung der Spitzenlasten darstellen. Hierbei besteht in Ergänzung zu dem in dieser Studie betrachteten Anwendungsszenario tatsächlich ein ökonomisches und ökologisches Energiesparpotenzial.

3. Weiternutzung von gebrauchten Lithium-Eisenphosphat-Batteriezellen (sogenannten „Second-Life-Batterien“) anstelle von neuen:

Die für den Einsatz in Elektrofahrzeugen nicht mehr nutzbaren Batterien könnten noch bis zum Ende ihrer physischen Lebensdauer in stationären Anlagen weiter genutzt werden. Diese Anlagen müssten zum Ausgleich der abnehmenden Nutzkapazität sowie zur Kompensation der verringerten Zuverlässigkeit stark überdimensioniert werden. Dies wäre für stationäre Zwecke jedoch kein entscheidendes Hemmnis, sofern sich in Zukunft ein großes Angebot an preisgünstig verfügbaren gebrauchten Traktionsbatterien entwickelt.

Das sogenannte Repurposing gebrauchter Traktionsbatterien hätte neben den wirtschaftlichen Anreizen auch entscheidende Vorteile hinsichtlich Ressourceneffizienz. Die Nachnutzung der Energiespeicher für langlebige stationäre Einrichtungen verlängert deren Lebensdauer und erhöht damit die Produktivität der darin gebundenen materiellen Ressourcen. Allerdings seien weitere Untersuchungen in Hinblick auf die energetischen Effizienz-verluste gealterter Batterien erforderlich.

Infolge der zum Lebensdauerende hin ansteigenden Verlustleistung könnten die indirekten Treibhausgasemissionen derartiger Energiespeichersysteme viel höher ausfallen als für neue Batterien darge-stellt. Außerdem müsste bei einer Anwendung von Second-Life-Batterien in KMU mit erhöhtem Wartungsaufwand gerechnet werden, um die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Energiespeichersystems zu gewährleisten.

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