VW denkt in Sachen Elektromobilität groß. Auf seinem ersten „Power Day“ hat der Automobilkonzern jetzt eine Technologie-Roadmap für die Bereiche Batterie und Laden bis 2030 präsentiert. „Ziel der Roadmap ist, Komplexität und Kosten der Batterie signifikant zu senken, um das E-Auto für möglichst viele Menschen attraktiv und bezahlbar zu machen“, heißt es bei VW. Zugleich will der Konzern den Bedarf an Batteriezellen über 2025 hinaus absichern. Allein in Europa sollen bis Ende des Jahrzehnts sechs Gigafabriken mit einer Gesamtkapazität von 240 GWh entstehen. Auch den weltweiten Ausbau des öffentlichen Schnellladenetzes treibe VW „energisch voran“, heißt es. In Europa hat das Unternehmen dazu Kooperationen mit den Energieunternehmen BP (Großbritannien), Iberdrola (Spanien) und Enel (Italien) vereinbart.
„E-Mobilität ist zu unserem Kerngeschäft geworden. Nun integrieren wir systematisch weitere Stufen in der Wertschöpfungskette“, sagt Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender des Volkswagen Konzerns. Um den steigenden Bedarf an Batteriezellen abzudecken, treibt der Konzern den Aufbau von Produktionskapazitäten in Europa mit voller Kraft voran. „Bis 2030 wollen wir gemeinsam mit Partnern insgesamt sechs Zellfabriken in Europa in Betrieb nehmen und so Versorgungssicherheit garantieren”, sagt Thomas Schmall, Vorstand für den Geschäftsbereich Technik der Volkswagen AG. Die ersten beiden Fabriken entstehen im schwedischen Skellefteå und in Salzgitter. Aufgrund des höheren Bedarfs habe VW entschieden, die bislang geplante Zellproduktion neu aufzustellen. Die Produktion von Volkswagen Premium-Zellen wird in Zusammenarbeit mit Northvolt in der schwedischen Gigafabrik „Northvolt Ett“ in Skellefteå konzentriert. Die Produktion dieser Zellen soll 2023 starten und schrittweise auf bis zu 40 GWh Jahreskapazität ausgebaut werden.
Die nun von Volkswagen betriebene Gigafabrik in Salzgitter wird ab 2025 die Einheitszelle für das Volumensegment produzieren und Innovationen in Prozess, Design und Chemie entwickeln. Auch Salzgitter soll perspektivisch bis zu 40 GWh pro Jahr fertigen. Durch diese Neuaufstellung würden bessere Skaleneffekte erzielt und die Produktionskomplexität reduziert. Beide Gigafabriken sollen zudem mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden. „Für die weiteren Fabriken werden derzeit mögliche Standorte und Partner geprüft“, heißt es bei VW.
Massive Kostenreduktion durch neue Einheitszelle ab 2023
Große Fortschritte strebt Volkswagen beim Batteriesystem mit allen seinen Komponenten bis hin zur Zelle an. „Unser Ziel ist, Kosten und Komplexität der Batterie zu senken und gleichzeitig ihre Reichweite und Performance zu steigern“, so Technik-Vorstand Schmall. „Damit wird die E-Mobilität endgültig erschwinglich und zur Hauptantriebstechnologie.“ Neben der geplanten Eigenfertigung werde vor allem die neue Einheitszelle erhebliche Kostenvorteile bringen. Sie soll ab 2023 eingeführt werden und im Jahr 2030 markenübergreifend in bis zu 80 Prozent aller E-Fahrzeuge des Konzerns verbaut werden.
Weitere Einsparungen sollen durch eine Optimierung des Zelltyps, innovative Produktionsmethoden sowie das konsequente Recycling erzielt werden. Volkswagen will damit die Kosten für Batterien im Einstiegssegment schrittweise um bis zu 50 Prozent und im Volumensegment um bis zu 30 Prozent reduzieren. „Auch bei der Batterie werden wir unsere Größenvorteile zugunsten der Kunden nutzen“, sagt Schmall. Im Durchschnitt würden damit die Kosten für Batteriesysteme auf „deutlich unter 100 Euro pro Kilowattstunde“ senken.
Integration der Wertschöpfungskette
Neben der Einheitszelle und dem Aufbau der Eigenfertigung umfasst die neue Technologie-Roadmap des Konzerns auch die Integration weiterer Schritte entlang der Wertschöpfungskette bis hin zum industriellen Recycling. „Gemeinsam mit ausgewählten strategischen Partnern will Volkswagen so den Bedarf an Zellen für seine E-Offensive langfristig absichern“m heißt es. Neben Kostenvorteilen werden auch Fortschritte bei Speicherkapazität und Schnellladefähigkeit erwartet. Die neue, prismatische Einheitszelle biete zudem die besten Voraussetzungen für den Übergang zur Festkörperzelle, den Volkswagen ab Mitte des Jahrzehnts erwartet.
Sowohl bei der Batterie als auch beim Laden setzt der Konzern auf strategische Partnerschaften und einen „effizienten Mitteleinsatz“. Der Konzern hält an seinen strategischen Finanzzielen fest und strebt nach wie vor eine Sachinvestitionsquote von rund 6 Prozent bis 2025 sowie einen jährlichen bereinigten Netto Cash Flow von mehr als 10 Mrd. € im Kerngeschäft Automobile an.
Ausbau des globalen Schnellladenetzes: Partnerschaften mit BP, Iberdrola und Enel
Seine Batterie-Offensive flankiert Volkswagen mit einem groß angelegten Ausbau des Schnellladenetzes. Bis 2025 will das Unternehmen im Verbund mit Partnern rund 18.000 öffentliche Schnellladepunkte in Europa betreiben. Das entspricht einer Verfünffachung des Schnellladenetzes gegenüber heute und rund einem Drittel des für 2025 prognostizierten Gesamtbedarfs auf dem Kontinent.
Dazu sollen neben dem Joint-Venture Ionity auch eine Reihe von strategischen Partnerschaften beitragen. Gemeinsam mit BP will Volkswagen europaweit rund 8.000 Schnellladepunkte aufbauen. Die Schnelllader mit 150 kW Ladeleistung werden an insgesamt 4.000 Tankstellen von BP und ARAL entstehen, ein Großteil davon in Deutschland und Großbritannien. In Spanien sollen in Kooperation mit Iberdrola vor allem die Hauptverkehrsachsen erschlossen werden. In Italien will Volkswagen mit Enel kooperieren, um das Schnellladenetz sowohl an Autobahnen als auch im städtischen Raum auszubauen. Für das Gesamtprogramm in Europa wird Volkswagen bis 2025 circa 400 Mio. € aufwenden. Weitere Umfänge werden von externen Partnern getragen.
Auch in den USA und China baut Volkswagen das öffentliche Schnellladenetz aus. Electrify America plant bis Ende des Jahres rund 3.500 Schnellladepunkte in Nordamerika. In China plant Volkswagen über das Joint-Venture CAMS mit insgesamt 17.000 Schnellladepunkten bis 2025.
Volkswagen will das E-Auto zum Teil des Energiesystems machen
Das Elektroauto wird Volkswagen künftig in private, geschäftliche und öffentliche Energiesysteme integrieren. Regenerativer Strom aus der Solaranlage könne dann im Fahrzeug gespeichert und bei Bedarf wieder in das Hausnetz zurückgespeist werden. Modelle auf Basis des Volkswagen-eigenen MEB Elektro-Baukastens sollen die Technologie ab 2022 unterstützen. Volkswagen will außerdem ein Gesamtpaket mit allen Modulen und digitalen Diensten anbieten – von der bidirektionalen Wallbox bis zum Energiemanagement. Die Technologie soll zudem bald im größeren Maßstab zum Einsatz kommen – etwa in Wohnanlagen, Unternehmen oder im allgemeinen Stromnetz.
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