Die Europäische Union setzt mit dem Emissionshandelssystem ETS-2 verstärkt auf marktwirtschaftliche Anreize bei der Verkehrs- und Wärmewende. Hier wird es aus gesellschaftlicher Perspektive wichtig sein, die Belastungswirkungen auf die Bevölkerung so auszutarieren, dass insbesondere die Wärmewende tragbar bleibt. Das wurde unter anderem bei einer Online-Veranstaltung von Green Planet Energy deutlich, bei der Carolin Dähling, Leiterin Politik und Kommunikation bei der Genossenschaft, die soziale Sprengkraft des Themas hervorhob. Eine jetzt vom Berliner Climate-Tech-Unternehmen Purpose Green vorgestellte Analyse beziffert die Mehrkosten, die durch den ETS-2 auf Immobilienbesitzer zukommen könnten, auf bis zu 627 Prozent.
Um die finanziellen Auswirkungen zu beziffern, haben die Energieeffizienzexperten von Purpose Green die zusätzlichen Kosten von über 4.000 Immobilien in den 30 größten Städten Deutschlands mithilfe von unterschiedlichen CO₂-Preis-Szenarien errechnet.
Der ETS-2 tritt 2027 in Kraft. Er ersetzt in Deutschland den nationalen Emissionshandel, der für Gebäude im Jahr 2021 eingeführt wurde. Entsprechend der bundesdeutschen Verordnung liegt der CO₂-Preis in diesem Jahr noch bei 55 Euro pro Tonne, 2026 wird er zwischen 55 und 65 Euro pro Tonne liegen. Ab 2027 bestimmen dann Angebot und Nachfrage der Emissionszertifikate den Preis. Experten erwarteten einen Preis zwischen 100 und 250 Euro pro Tonne CO₂ bis 2030, ab 2040 könnte der Preis sogar auf bis zu 400 Euro steigen, heißt es bei Purpose Green.
Für die Berechnung der finanziellen Auswirkungen der steigenden CO₂-Preise hat Purpose Green vier verschiedene Szenarien erstellt:
⮚ Szenario I (2025): 55 Euro/Tonne CO₂
⮚ Szenario II: 100 Euro/Tonne CO₂
⮚ Szenario III: 250 Euro/Tonne CO₂
⮚ Szenario IV: 400 Euro/Tonne CO₂
In den vier Szenarien würde der CO₂-Preis so um ca. 82 Prozent (Szenario II), ca. 355 Prozent (Szenario III) oder ca. 627 Prozent (Szenario IV) steigen. Um die durchschnittlichen jährlichen CO₂-Kosten für Hauseigentümer zu berechnen, hat Purpose Green Wohnfläche, Energieträger und den Energiebedarf von über 4.000 Immobilien (Eigenheime und Wohnungen) in den 30 größten Städten analysiert. Für Eigentümer von Mehrfamilienhäusern und großen Immobilien mit schlechtem energetischen Zustand könnten die Kosten – im Vergleich zu kleinen Eigenheimen und Wohnungen – um ein Vielfaches höher ausfallen.
Beispiel Hamburg: Mehrkosten von bis zu 2.704 Euro pro Jahr denkbar
In Hamburg wurden 650 zum Verkauf stehende Immobilien untersucht, die durchschnittlich 165 Quadratmeter groß sind. Basierend auf den unterschiedlichen wesentlichen Energieträgern beläuft sich der jährliche Ausstoß im Durchschnitt auf 7,84 Tonnen CO₂ pro Immobilie. Im aktuellen nationalen Emissionshandelssystem kommen 2026 so durchschnittlich 431 Euro an CO₂-Kosten auf Eigentümer zu. Bei Eintritt des Szenarios II würden die Kosten auf 784 Euro steigen. Im dritten Szenario lägen die Kosten bei über 1.960 Euro pro Jahr und im vierten Szenario würden die jährlichen CO₂-Kosten bereits 3.135 Euro übersteigen.
Die Aufteilung der CO₂-Kosten zwischen Mieter und Vermieter hängt von dem energetischen Zustand einer Immobilie ab: Bei sehr schlechter Energiebilanz (CO₂-Ausstoß über 52 kg/m²) müssen Vermieter 95 Prozent der CO₂-Kosten übernehmen. Ist ein Haus bereits energetisch saniert und der Ausstoß beträgt nur bis zu 12 kg/m², verbleiben die (geringen) Kosten vollständig bei den Mietern. Bei einem CO₂-Ausstoß zwischen 32 und 37 kg/m² teilen sich Mieter und Vermieter die Kosten gleichmäßig.
Beispielsweise wird in Augsburg ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen und einer Gesamtfläche von 386 Quadratmetern angeboten. Das Gebäude hat einen schlechten Energiebedarf von 1.306,2 kWh/(m²·a) und wird mit Gas beheizt, wodurch 121 Tonnen CO₂ pro Jahr verursacht werden. Während 2026 ca. 6.655 Euro auf den Eigentümer zukommen, wären es im zweiten Szenario ca. 12.101 Euro, im dritten ca. 30.252 Euro und im vierten Szenario sogar fast 48.403 Euro jährlich. Aufgrund der schlechten Energiebilanz des Hauses muss der Eigentümer im Fall einer Vermietung nach dem gültigen 10-Stufenmodell 95 Prozent dieser Kosten selbst tragen – also je nach Szenario zwischen 6.322 Euro und 45.983 Euro pro Jahr.
CO₂-Kosten können durch energetische Sanierungen gesenkt werden
„Die Einführung des ETS-2 und die damit verbundenen steigenden CO₂-Kosten machen energetische Sanierungen für Eigentümer unvermeidlich“, sagt ESG-Experte Daniel Schreiner von Purpose Green. Es gebe dabei eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten, die bei der Umsetzung von klimafreundlichen Heizsystemen und Sanierungsmaßnahmen unterstützen. „Der EU-Klima-Sozialfonds sowie nationale Förderprogramme wie die BEG-Förderung und KfW-Zuschüsse bieten finanzielle Hilfen, um den Umstieg auf effizientere Heiztechnologien und den Ausbau von Wärmedämmung und Photovoltaikanlagen zu erleichtern.“
Das europäische Emissionshandelssystem ETS-2 werde die Betriebskosten unsanierter Gebäude spürbar erhöhen – „und das bereits zeitnah“. Vermieter, die nicht rechtzeitig in energetische Sanierungen investieren, liefen Gefahr, in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Eine verbesserte Wärmedämmung, der Umstieg auf Wärmepumpen oder der Einsatz von Photovoltaik senkten nicht nur den CO₂-Ausstoß und damit die Kosten, sondern steigern auch die Attraktivität und den Wert der Immobilie. „Wer jetzt handelt, profitiert doppelt – durch langfristige Planungssicherheit und durch eine zukunftsfähige Immobilienstrategie“, so Schreiner weiter.