Die Bundesnetzagentur hat ein Eckpunktepapier veröffentlicht, in dem sie die Regelung zu den Netzentgelten für Industriekunden weiterentwickelt. Das Eckpunktepapier ist Teil eines Festlegungsverfahrens, das jetzt ebenfalls eingeleitet wurde. „Die alten Netzentgeltrabatte entsprechen nicht mehr den Anforderungen eines Stromsystems, das von hohen Anteilen erneuerbarer Stromerzeugung geprägt ist“, sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. „Wir wollen zukünftig systemdienliches Verbrauchsverhalten der Industrie besonders anreizen. (Nachweis für Beitragsbild: DedMityay / stock.adobe.com)
Industrie und Gewerbe sollen demnach reduzierte Netzentgelte zahlen, wenn sie in Situationen mit hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen. Andersherum erhalten sie auch dann eine Reduktion der Netzentgelte, wenn sie in Zeiten eines knappen Stromangebots weniger Strom verbrauchen. „Wir schlagen einen Übergang von einem starren in ein flexibles System vor. Wir wollen das zukünftige System nun ausführlich mit allen Akteuren erörtern.“
Anpassung der Stromabnahme an aktuelle Preisentwicklung
Die Bundesnetzagentur schlägt eine Regelung vor, die für stromintensive Betriebe einen Anreiz schaffen soll, dynamisch auf die aktuelle Erzeugungssituation zu reagieren. Diese spiegelt sich in erster Linie in den Strombörsenpreisen wider. Im Grundsatz ist vorgesehen, eine „Stärkung des Marktsignals anhand der Netzentgelte“ vorzunehmen. Eine Netzentgeltprivilegierung soll grundsätzlich erhalten, wer in Zeiträumen besonders niedriger Preise seine Abnahme im Vergleich zu seinem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich erhöht und in Zeiten besonders hoher Preise seine Abnahme im Vergleich zu seinem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich senkt.
Die genaue Austarierung des Anreizmechanismus hänge von den technischen Möglichkeiten der Industrie ab, Mengen- und Preisentwicklungen zu prognostizieren und flexibel darauf zu reagieren. „Dabei soll keine Überforderung der Letztverbraucher erfolgen, sondern das tatsächlich vorhandene und künftig erreichbare Flexibilitätspotential realisiert werden.“
Regionale Ausnahmen und Übergangsregelungen
In Regionen mit einer geringen dezentralen Einspeisung aus Erneuerbaren entstehen Engpässe eher lastbedingt. Hier könnten Reaktionen auf das Marktsignal mitunter auch engpassverschärfend wirken. „Insofern möchte die Bundesnetzagentur diskutieren, ob und wie regionale Ausnahmen geschaffen werden können, bis der Netzausbau einen Stand erreicht, der eine Stärkung des Marktsignals bundesweit ermöglicht.“
Bestehende Vereinbarungen über individuelle Netzentgelte sollen nicht unmittelbar ihre Wirkung verlieren. Es ist vorgesehen, den Unternehmen Übergangsfristen zu gewähren, die eine Umstellung der Produktion und die Realisierung von Flexibilitätspotentialen ermöglichen.
Die gegenwärtigen Stromnetzentgelte beinhalten verschiedene Privilegierungstatbestände für Industrie und Gewerbe, die ein bestimmtes Verhalten anreizen. Bei der sogenannten atypischen Netznutzung zahlen industrielle und gewerbliche Letztverbraucher ein reduziertes Entgelt, wenn ihre Jahreshöchstlast von der Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz abweicht. Hierdurch sollte die erforderliche Netzdimensionierung begrenzt werden. Dagegen hat die Bandlast den Zweck, eine konstant gleichbleibende Grundlast stromintensiver Letztverbraucher anzureizen.
Durch die Sondernetzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV erzielen im Jahr 2024 rund 400 Bandlastkunden und rund 4.200 atypische Netznutzer in Zuständigkeit der Bundesnetzagentur insgesamt Netzentgeltreduzierungen von über einer Mrd. €. Die den Netzbetreibern in der Folge entgehenden Erlöse werden durch eine Umlage an alle Netznutzer gewälzt. Diese beträgt im laufenden Jahr 0,643 ct/kWh.
Stromerzeugerlandschaft durch Energiewende „eklatant“ verändert
Durch die Energiewende verändere sich die Stromerzeugerlandschaft eklatant, betont die BNetzA. Dies führe unweigerlich auch zu veränderten Erfordernissen im Netzbetrieb. Dementsprechend sei eine Neubewertung der Anreize erforderlich, die durch Sondernetzentgelte gesetzt werden.
Die Effektivität einer Privilegierung einer atypischen Netznutzung habe sich in Netzen mit einer hohen Durchdringung an erneuerbaren Energien stark geschmälert. Zusätzlicher Netzausbau werde hier nicht primär durch die Last-, sondern durch die Einspeiseseite verursacht. „Dementsprechend führen Verlagerungen der individuellen Jahreshöchstlast hier keine Kosteneinsparungen hervor.“
Die Bandlastprivilegierung habe in den geänderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihre Berechtigung in der derzeit bestehenden Form „größtenteils eingebüßt“ und setze Fehlanreize. „Unflexibles Abnahmeverhalten ist gesamtökonomisch zunehmend nachteilhaft und kann die Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt hemmen.“ Auch könne unflexibles Lastverhalten Situationen kritischer Netzzustände verschärfen. Gleichzeitig könnten dynamische Reaktionen auf die Einspeisesituation – insbesondere durch stromintensive Industriebetriebe – einen erheblichen systemdienlichen Beitrag leisten.
Nach Konsultation des Eckpunktepapiers soll Regelung Anfang 2026 in Kraft treten
Die Bundesnetzagentur sucht nach eigenem Bekunden den „intensiven Austausch mit der Branche“, um die genannten Ziele zu erreichen. Die Konsultation erfolgt bis zum 18. September 2024. Die Regelung soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten.
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