Die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5ºC würde schnelle, weitreichende und „beispiellose“ Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft erfordern. Das macht der Weltklimarat IPCC in seiner jüngsten Analyse deutlich. Manche Entwicklungen wurden bereits angestoßen, aber das Tempo der Transformation muss dramatisch erhöht werden. „Die nächsten Jahre sind wahrscheinlich die wichtigsten in unserer Geschichte“, sagt Debra Roberts, Co-Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe II.

Der Sonderbericht über die globale Erwärmung von 1,5ºC wurde am Samstag in Incheon in Südkorea vom IPCC genehmigt. „Mit mehr als 6.000 zitierten wissenschaftlichen Referenzen und dem engagierten Beitrag von Tausenden von Experten und Regierungsgutachtern weltweit beweist dieser wichtige Bericht die Breite und politische Relevanz des IPCC”, sagt Hoesung Lee, Vorsitzender des IPCC.

Folgen der Erwärmung um ein Grad bereits deutlich zu spüren

„Wenn wir die globale Erwärmung in einem für Mensch und Natur verträglichen Bereich halten wollen, müssen wir alles dafür tun, um den Anstieg um 1,5 Grad nicht zu überschreiten“, kommentiert Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), die Ergebnisse des Berichts. Ein schneller Umstieg von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien sei „zwingend für effektiven Klimaschutz“. „Der Kohleausstieg ist überfällig und eine klimafreundliche Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien muss in allen Sektoren vorangetrieben werden.“

Simone Peter
Mahnt zu entschlossenem Handeln auch und besonders der Bundesregierung: BEE-Präsidentin Simone Peter (Bildquelle: BEE / Laurence Chaperon). Lesen Sie hier, was Peter im EUWID-Interview zur Agenda der Energiewende in Deutschland sagt.

Eine der wichtigsten Botschaften, die aus diesem Bericht „sehr deutlich hervorgeht, ist, dass wir bereits die Folgen der globalen Erwärmung um 1°C durch extremere Witterungsbedingungen, steigenden Meeresspiegel und abnehmendes arktisches Meereis sehen“, merkt Panmao Zhai an. Zhai ist Co-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe I.

Und es macht einen erheblichen Unterschied, ob man die Erwärmung auf 1,5 oder auf 2,0 Grad begrenzt. So wäre beispielsweise der globale Meeresspiegelanstieg bis 2100 bei einer globalen Erwärmung von 1,5°C gegenüber 2°C um 10 cm niedriger. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Arktische Ozean im Sommer frei von Meereis ist, würde bei einem halben Grad mehr drastisch steigen. Korallenriffe würden bei einer globalen Erwärmung von 1,5°C um 70 bis 90 Prozent zurückgehen, während praktisch alle (mehr als 99 Prozent) bei 2ºC verloren gingen.

Emissionen müssen bereits 2050 den Wert „netto Null“ erreichen

Die Begrenzung der globalen Erwärmung würde auch den Menschen und Ökosystemen mehr Spielraum für Anpassungen geben und die relevanten Risikoschwellen unterschreiten, heißt es. Der Bericht untersucht auch die dazu verfügbaren Wege, um die Erwärmung auf 1,5ºC zu begrenzen. „Die gute Nachricht ist, dass einige der Maßnahmen, die erforderlich wären, um die globale Erwärmung auf 1,5 º C zu begrenzen, bereits weltweit im Gange sind, aber sie müssten beschleunigt werden“, sagt Valerie Masson-Delmotte, Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe I.

Erforderlich sind „schnelle und weitreichende“ Transformationsprozesse in den Bereichen Landwirtschaft, Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr. Die globalen, vom Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen (CO2) müssten bis 2030 um etwa 45 Prozent gegenüber dem Niveau von 2010 sinken und um 2050 den Wert „netto Null“ erreichen. Das bedeutet, dass alle verbleibenden Emissionen ausgeglichen werden müssen, indem CO2 aus der Produktion entfernt wird.

Der BEE stellt fest, dass jetzt der politische Handlungswille gefordert ist, um den Ausbau der erneuerbaren Energien für eine saubere Strom- und Wärmeversorgung sowie eine umweltfreundliche Mobilität zu beschleunigen, und damit sofort Treibhausgase einzusparen. Ein CO2-Preis würde ökonomische Anreize setzen, um den notwendigen Kohleausstieg marktwirtschaftlich zu organisieren und auch fossilen Brennstoffen im Wärmebereich einen echten Preis zu geben, heißt es beim Dachverband der Erneuerbaren-Branche.

Deutschland muss in der EU wieder zu einer progressiven Rolle beim Klimaschutz zurückfinden
– Simone Peter, BEE

Die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr sowie der Einsatz von mehr Speichern und mehr Flexibilität auf den Märkten beförderten zudem ein zukunftsfähiges Energiesystem, sagt BEE-Chefin Peter. „Gerade die Industrienationen tragen eine besondere Verantwortung für einen nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen der Erde und für den Klimaschutz. Nur so erhalten wir dauerhaft unsere natürlichen Lebensgrundlagen.“

„Deutschland muss in der EU wieder zu einer progressiven Rolle beim Klimaschutz zurückfinden“, fordert Peter. Die Bundesregierung sollte sich daher in Brüssel für höhere Klimaschutzziele, die das Pariser Klimaschutzabkommen widerspiegeln, ebenso einsetzen wie für europaweite, wirksame Klimaschutzmaßnahmen „anstatt diese auszubremsen“. Die Europäische Union arbeitet derzeit an ihrer langfristigen Strategie zur Verringerung von Treibhausgasemissionen. „Sie muss sich am Pariser Klimaschutzabkommen ausrichten“, fordert Peter.

IPCC: Wirksamkeit von Technologien zur nachträglich Entfernung von
CO2 aus der Luft zweifelhaft

Der Weltklimarat macht in seinem Bericht auch deutlich, dass bereits eine vorübergehende Überschreitung von 1,5 Grad Risiken birgt. Sie würde eine stärkere Abhängigkeit von Techniken bedeuten, die CO2 aus der Luft entfernen, um die globale Temperatur bis 2100 auf unter 1,5ºC zu senken. „Die Wirksamkeit solcher Techniken ist im Großen und Ganzen nicht bewiesen und einige könnten erhebliche Risiken für die nachhaltige Entwicklung mit sich bringen“, heißt es im Bericht.

EEG: Durchschnittliche Vergütung von Neuanlagen seit 2010 drastisch gesunken