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Energiewoche 15/2025

Nächste Runde in der Strombedarf-Debatte: BEE weist Ergebnisse von Aurora-Studie zurück

Die Debatte über eine neue Ausrichtung der Energiewende mit veränderter Akzentsetzung in Richtung Optimierung von Systemkosten spielt in den Koalitionsverhandlungen eine wichtige Rolle und wird auch außerhalb der Verhandlungszimmer in der Energiewirtschaft intensiv betrieben. Den jüngsten Impuls bringt eine Analyse von Aurora Energy Research im Auftrag der EnBW, die erhebliche Einsparpotenziale identifiziert, wenn das System kleiner dimensioniert wird. Im Kern geht es also einmal mehr um die Frage, wie stark der Strombedarf in den kommenden Jahren steigen wird.

Der Titelbericht der neuen Ausgabe 15.2025 von ContextCrew Neue Energie widmet sich der fortgesetzten Debatte. „Die Dimensionierung des Energiesystems muss sich am Strombedarf ausrichten. Dieser steigt laut zahlreichen Studien weniger stark als ursprünglich erwartet“, heißt es bei der EnBW. „Dimensioniert man das System kleiner, um auf ein geringeres Nachfragewachstum einzugehen und optimiert es dabei technisch, lassen sich die Kosten um bis zu 700 Mrd. Euro bis 2045 senken.“ Unter anderem bringt die Analyse eine Kappung von Ausbauzielen bei Offshore-Wind, PV und Elektrolyseuren ins Spiel. Auch sollte auf blauen Wasserstoff gesetzt werden.

BEE sieht „falsche Prämissen“ in Aurora-Analyse

Für die Erneuerbare-Energien-Branche ist es von zentraler Bedeutung, unter welchen Prämissen der Umbau des Energiesystems vorangetrieben wird. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) weist den Ansatz zurück, die aktuellen Prognosen zur Entwicklung des Strombedarfs überschätzten die tatsächliche Nachfrage nach Elektrizität in den kommenden Jahren. Die aktuelle Delle sei der schwachen Konjunktur zuzuschreiben. Auch unterschätze etwa die Aurora-Analyse die Potenziale und Wirkung einer zeitnahen Elektrifizierung der Bereiche Wärme und Mobilität.

Chronologie zur Debatte um Stromverbrauch und Systemkosten
Mit der Frage der Ausrichtung der Energiewende und insbesondere der Entwicklung des Stromverbrauchs haben sich in der jüngeren Vergangenheit mehrere Analysen befasst. Eine kurze Übersicht:


⮚ Analyse von McKinsey: Den Anfang macht im Januar 2025 eine Analyse von McKinsey. Der Strombedarf könnte durch schwache Wirtschaftslage und langsameren Hochlauf von E-Mobilität und Wärmepumpen nur um 1-2 Prozent pro Jahr steigen, schreiben die Analysten des Beratungshauses. Der Stromnetzausbau werde vor allem durch neue Erneuerbaren-Kapazitäten getrieben, weniger durch die Nachfrage.

⮚ VKU-Positionspapier: Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) präsentiert am 7. März ein Positionspapier, das Handlungsvorschläge für einen „Neustart für die Energiewende“ umfasst. Wie EnBW/Aurora hält der VKU die Kürzung der Offshore-Ausbauziele für sinnvoll und spricht sich für 45-50 GW aus. Die Förderung von PV-Dachanlagen sollte beendet werden.

BEE-Kurzanalyse zu Strombedarf: Der BEE steigt am 13. März mit einer Kurzanalyse zum Strombedarf in die Debatte ein. „Ein Zuviel an Ökostrom kann es gar nicht geben“, argumentiert der Branchendachverband. Um den zukünftigen Strombedarf zu decken, sei es „unumgänglich, an den im EEG festgelegten Erneuerbaren Ausbauzielen festzuhalten“.

Interview Krebber/Birnbaum in FAS: Am 16. März erscheint in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein Doppelinterview mit den Chefs von RWE, Markus Krebber, und E.ON, Leonhard Birnbaum. „Die Elektrifizierung von Autoverkehr, Heizen und Industrie wird kommen und das ist der richtige Weg für den Klimaschutz“, sagt Krebber. „Aber der Übergang wird mehr Zeit benötigen als in den bisherigen Plänen zugrunde gelegt.“

FÖS-Kurzanalyse zu Kosten eines gebremsten Zubaus: Am 21. März veröffentlicht der Ökoenergieversorger Green Planet Energy eine Analyse des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), in der auf die Risiken eines verlangsamten Ausbaus der Erneuerbaren hingewiesen wird. Wenn das Ausbautempo bis 2030 um ein Viertel reduziert würde, drohten Investitionseinbußen von 65 Mrd. Euro.

Aurora-Analyse im Auftrag der EnBW: Der jüngste Beitrag kommt am 2. April von der EnBW, die die Studie „Systemkostenreduzierter Pfad zur Klimaneutralität im Stromsektor 2045“ veröffentlicht (vgl. ausführlich den gesonderten Bericht zur Analyse).

Es ist im Kern unstrittig, dass eine effiziente Gestaltung der Transformation die Gesamtkosten mit Blick auf das definierte Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 minimieren sollte. Disruptive Entwicklungen im technologischen Bereich haben bereits in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass sich zu konservative Prognosen als wenig aussagekräftig erwiesen haben. Dringend zu vermeiden ist ein Bremsmanöver, das die Zielsetzung und -erreichung aus dem Blick geraten lässt.

„In Folge falscher Prämissen“ den Ausbau der erneuerbaren Energien drosseln zu wollen, könne zu Energieknappheit und industriellen Verwerfungen bei Zulieferern und Herstellern auf allen Wertschöpfungsstufen führen, sagt die BEE-Präsidentin. „Die Kappung von Ausbauzielen für die Photovoltaik und Offshore-Windenergie sowie die starke Begrenzung heimischer Elektrolyse sind für ein ambitioniertes Industrieland wie Deutschland völlig deplatziert. Wir brauchen jede Kilowattstunde des kostbaren Ökostroms für unsere wirtschaftliche Entwicklung und die dauerhafte Bezahlbarkeit von Energie,“ so Peter weiter.

Auch Agora Energiewende warnt vor Verringerung der Ausbauambitionen

Auch Julia Metz und Philipp Godron von Agora Energiewende warnen in einem Gastbeitrag im „Tagesspiegel“ vor einem Abbremsen der Ausbaudynamik. Ein geringer Stromverbrauch sei kein Erfolg, sondern oft Folge wirtschaftlicher Schwäche und verpasster Chancen in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr – „dies sollte nicht zur Zielsetzung für die Zukunft werden“, erläutert Metz die Position im Netzwerk LinkedIn. Mit dem Sondervermögen Infrastruktur und der angekündigten Strompreissenkung gebe es nun erfreulicherweise Anzeichen, die in eine andere Richtung deuten – also: hin zu mehr wirtschaftlicher Dynamik und einem stärkeren Einsatz strombasierter Technologien. „Das sollte jetzt gestärkt werden.“