Die vergangenen Jahre waren für die Windenergiebranche alles andere als einfach. Überlagert von zähen Genehmigungsverfahren und langwierigen Streitigkeiten rund um die Akzeptanz neuer Windenergieanlagen ist die Notwendigkeit des Ausbaus in den Hintergrund gerückt. Doch zuletzt hat sich der Wind gedreht: Die EU hat ihre Klimaziele verschärft und das Bundesverfassungsgericht mehr Tempo bei der Dekarbonisierung eingefordert. Die jüngste politische Debatte auf der Grundlage dieser Entwicklungen – z.B. die Eingaben der Bundesumweltministerin und die geplante Anhebung der Strombedarfserwartung für das Jahr 2030 durch das BMWi – gibt der Branche weiteren Rückenwind. Die atmosphärische Veränderung dokumentiert jetzt auch eine aktuelle Studie.
Nach den teilweise extremen Negativwerten im vierten Quartal 2019 hat sich die Stimmung in der deutschen Windindustrie deutlich aufgehellt. Bei der Bewertung der aktuellen Marktsituation für die Onshore-Windindustrie nähert sich Deutschland langsam wieder dem positiven Bereich an, während bei der Offshore-Windindustrie der Aufwärtstrend der letzten drei Umfragen fortgesetzt und positive Werte erreicht werden können. Insbesondere die langfristige Aussicht ist optimistisch: Die Marktsituation in zwei Jahren, sowohl bei der Onshore- als auch der Offshore-Windindustrie, erhält die besten Werte seit Beginn des WEtix.
Zu diesen Ergebnissen kommt der neue WindEnergy trend:index (WEtix), der von der WindEnergy Hamburg, der Weltleitmesse für Windenergie, in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut wind:research halbjährlich seit 2018 veröffentlicht wird. Deutschland kann den Trend der letzten Umfragen fortsetzen und erhält bei den Entwicklungsaussichten der Windbranche seine beste Bewertung seit Beginn des WEtix.
In seiner siebten Auflage verzeichnet der WindEnergy trend:index auch seine bisher besten Werte für die Stimmung in der internationalen Windbranche. Insbesondere die langfristigen Marktaussichten tragen den Studienautoren zufolge zu einer guten Bewertung in der Onshore- und Offshore-Windindustrie bei. Zu den größten „Gewinnern“ im Stimmungsbarometer gehörten dabei die Märkte in Europa und Nordamerika, die ihre Positionen deutlich ausbauen können.
Asien, Europa und Nordamerika erhalten Bestwerte
Die aktuelle Marktsituation der Onshore-Windindustrie wird für alle Regionen zunehmend positiv bewertet, wobei Asien und Nordamerika die besten Ergebnisse verzeichnen. Auch die Zukunftsaussichten des Onshore-Windmarkts sind für alle Regionen sehr gut: Insbesondere die Situation in allen untersuchten Märkten außerhalb Europas wird teilweise mit neuen Bestwerten optimistisch eingeschätzt.
Für die Offshore-Windindustrie wird diese positive Entwicklung sogar noch überboten. Die Einschätzung der derzeitigen Marktsituation erreicht teilweise bessere Werte als im Onshore-Bereich. Insbesondere Nordamerika kann seine Bewertung deutlich verbessern und verzeichnet eine neue Bestmarke. Die Zukunft der Offshore-Windindustrie wird auch in anderen Märkten sehr positiv eingeschätzt: Asien, Europa und Nordamerika liegen hier fast gleichauf nahe der bisherigen Spitzenpositionen.
Während somit fast alle abgefragten Regionen ihre Werte verbessern oder auf hohem Niveau halten können, fallen den Studienautoren zufolge einige Entwicklungen besonders ins Auge. In Europa ist die Stimmung mit deutlichem Zuwachs so gut wie noch nie seit der Durchführung des WEtix.
Während der Onshore-Windmarkt sowohl für das laufende Jahr als auch langfristig bereits länger positiv eingeschätzt wird, erreicht der aktuelle Ausblick auf den Offshore-Windmarkt in zwei Jahren nahezu das Optimum. Und auch Nordamerika kann seine Werte gegenüber den Vorjahren deutlich verbessern: So wird die aktuelle Situation im Onshore-Windmarkt mehr als doppelt so positiv bewertet wie noch Ende 2020, im Offshore-Windmarkt verdreifacht sich der positive Eindruck sogar. Auch langfristig wird die nordamerikanische Windindustrie deutlich optimistischer bewertet.
Hohe Potenziale durch grünen Wasserstoff erwartet
Für die kommenden Jahre erwarten die Umfrageteilnehmer weitere Potenziale im Bereich des grünen Wasserstoffs durch Digitalisierung und neue Technologien. Für über 70 Prozent der Befragten gibt es eine mittlere bis sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Produktion von grünem Wasserstoff in den nächsten drei Jahren eine wesentliche Rolle für die Windenergie spielen wird. Damit wird die Bedeutung von grünem Wasserstoff im Vergleich zu den letzten Umfragen etwas höher bewertet.
Die Erwartungen an Optimierungspotenziale durch die Digitalisierung sind mit leichten „Verbesserungen“ sowohl für die Onshore- als auch die Offshore-Windindustrie weiterhin hoch. Dabei sind die Erwartungen an den Offshore-Sektor, der sich noch einmal weitergehend von Onshore „absetzen“ kann, größer. Das Stimmungsbild bezüglich möglicher Einsparpotenziale durch neue Technologien liegt währenddessen mit etwa gleichbleibenden Werten weiterhin im mittleren bis hohen Bereich. Die Einsparpotenziale werden dabei, wie immer seit Beginn des WEtix, für Offshore deutlich höher eingeschätzt als für Onshore.
Die Coronakrise scheint der guten Stimmung in der Windbranche indes nur wenig anhaben zu können: Etwa 70 % der Befragten gehen davon aus, dass die Corona-Pandemie neutrale oder sogar positive bis sehr positive Auswirkungen auf die Windindustrie haben wird. Der Anteil der Befragten, die eine negative oder sehr negative Auswirkung befürchten, ist im Vergleich zum Herbst 2020 zurückgegangen.
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