„Die Talsohle ist durchschritten. Die letzten Ausschreibungsergebnisse [für Windenergie an Land] zeigen, dass sich die Genehmigungslage weiter verbessert.“ Das sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE) anlässlich der Veröffentlichung der jüngsten Analyse der Deutschen WindGuard zur Marktentwicklung im ersten Halbjahr 2021. Insgesamt wurden 240 Onshore-Windenergieanlagen mit einer Leistung von 971 MW in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in Deutschland installiert. Dieser Zubau übertrifft bereits die Menge, die im Gesamtjahr 2019 installiert wurde und liegt 62 Prozent über der Leistung, die im ersten Halbjahr 2020 in Betrieb genommen wurde. Auftraggeber der Analyse sind BWE und VDMA Power Systems. (Titelbild: Repoweringprojekt Holßel im Landkreis Cuxhaven © BWE/Jens Meier)
Für das Gesamtjahr 2021 konkretisieren die Verbände ihre bisherige Prognose und gehen nach 2.000 – 2.500 MW zum Jahresbeginn nun von einer Bandbreite von 2.200 – 2.400 MW aus. Hierbei werden störungsfreie Abläufe in den Lieferketten und bei der Errichtung vorausgesetzt
BWE: „Aus Zielen müssen Zahlen werden“
Entwarnung gibt Albers jedoch nicht: „Vor uns liegt allerdings immer noch ein steiniger Weg, den es jetzt dringend zu ebnen gilt. Um die ambitionierten Klimaziele auf europäischer und nationaler Ebene zu erreichen, müssen jetzt politische Weichen gestellt werden. Ein wesentlicher Baustein ist dafür die Verbesserung der Flächen- und Genehmigungssituation.“
Mit dem Bund-Länder-Kooperationsausschuss für mehr Flächen und Genehmigungen sei im EEG 2021 ein Rahmen geschaffen worden, so Albers, der nun zur Beschlussfassung konkreter Maßnahmen genutzt werden müsse. Die Klärung der Flächenpotenziale im Kooperationsausschuss sollte noch vor der Regierungsbildung konkrete Ergebnisse erreichen. Erhebliche Flächeneffizienz liege im Repowering bei gleichzeitig beschleunigten Verfahrensabläufen, die jetzt realisiert werden müssen.
Dass das erneute Marktwachstum nicht ausreiche, um die Zielvorgaben des EEG 2021 von knapp 4.000 MW pro Jahr zu erfüllen, sieht auch Matthias Zelinger, Geschäftsführer VDMA Power Systems, so. In Deutschland werde mit dem deutschen Klimaschutzgesetz und der Anpassung der Stromverbrauchsprognose durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) eine Erhöhung der jährlichen Brutto-Ausbauziele für die Windenergie an Land auf mindestens 5.000 MW erforderlich.
Status des Windenergieausbaus an Land | Leistung | Anzahl Anlagen |
Brutto-Zubau 1. HJ. 2021 | 971 MW | 240 |
Davon Repowering | 134 MW | 35 |
Abbau 1. HJ. 2021 | 140 MW | 135 |
Netto-Zubau 1. HJ. 2021 | 831 MW | 105 |
Kumulierter Anlagenbestand am 30.06.2021 | 55.772 MW | 29.715 |
Die Verbände unterstrichen die Dringlichkeit, dass die nächste Bundesregierung vor dem Jahresende gesetzgeberisch tätig werden müsse. In den ersten 60 Tagen müssten die Weichen für Genehmigungen in einer Größenordnung von 6.000 MW pro Jahr gestellt werden. Damit ließe sich die Delle im Zubau 2018 – 2021/2022 auffangen und die Erneuerung des Anlagenparks gestalten.
Zelinger verwies zudem auf das europäische Maßnahmenpaket „Fit for 55“. Zum Erreichen von 55 Prozent CO2-Minderung in der EU bis 2030 müsse der Ausbau der Windenergie in Europa insgesamt von jährlich 15.000 auf 30.000 MW verdoppelt werden. Eine europäisch ausgerichtete Energiepolitik sollte für die neue Bundesregierung einen hohen Stellenwert haben, so Zelinger.
Schlechte Regulierung hindert schnellen Zubau
Die anhaltenden Herausforderungen der Branche skizzieren die Verbände wie folgt: Der Zubau werde durch mangelnde verbindliche Flächenausweisungen, unsäglich verkomplizierte Genehmigungsprozesse und den ungeklärten Artenschutzkonflikt gebremst. Neben diesen grundlegenden Problemen gebe es viele weitere regulatorische Steine im Weg zu mehr Windenergie.
So müssen etwa mit dem Ausbau der Windenergie auch Transportgenehmigungen und -infrastrukturen bereitstehen. Bund und Länder müssen Verkehrswege für Schwerlasttransporte von den Produktionsstandorten zu den Errichtungsorten bereitstellen. Hierzu zählen auch Straßen, Brücken und Rastplätze. Eine zügige bundesweite Beschleunigung, Vereinheitlichung und Digitalisierung von Genehmigungsverfahren für Transporte müsse das Ziel sein. Derzeit sei es aufgrund der Verfahrensdauer und Kleinteiligkeit bei der Planung zum Teil kaum möglich, Transportkosten und Genehmigungszeiträume für Projekte in Deutschland mit ausreichend Vorlauf verlässlich zu kalkulieren,
Selbst einfache Sachverhalte hängen fest
Die Umsetzung der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung (BNK) zur Vermeidung von Lichtemissionen durch Windenergieanlagen stellt laut BWE und VDMA Power Systems eine unnötige Belastung für die Branche dar. Die Windindustrie sei gewillt diese Akzeptanzmaßnahme umzusetzen, während unpraktikable Rahmenbedingungen dies erheblich erschwerten. Hierzu zählten heterogene Verfahren der Bundesländer, überbordender Prüfungsaufwand, administrative Hürden sowie unzureichend ausgerüstete Behörden. Eine bundesweit einheitliche und einfache Baumusterprüfung sowie einheitliche Genehmigungsverfahren in den Bundesländern seien unumgänglich.
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