Der Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES) präsentiert am 14. März die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Energiespeichermärkte in Deutschland. Im Vorfeld der Veranstaltung haben wir uns mit Urban Windelen, dem Bundesgeschäftsführer der Interessenvertretung der Energiespeicherbranche, über die aktuelle Lage an den Speichermärkten unterhalten. (Nachweis für Beitragsbild: BVES)

Das Thema Energiespeicher hat in den vergangenen Wochen und Monaten spürbar Fahrt in der öffentlichen Debatte aufgenommen. Zuletzt wurde auch auf der BVES-Konferenz zum Thema Großspeicher mit ihrer hohen Resonanz deutlich, dass die Bedeutung des Themenkomplexes inzwischen auch in der Politik wahrgenommen wird. Wie ist Ihr Eindruck, ist es einfacher geworden, auf die Rolle der Energiespeicher aufmerksam zu machen und welche Gründe sehen Sie dafür?

Ja, das Thema Energiespeicher ist mittlerweile völlig in der politischen Realität angekommen, und das partei- und fraktionsübergreifend. Das war viel und langjährige Überzeugungsarbeit. Doch letztlich setzt sich die Physik dann doch durch. Allein der Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung sowie der Netze ist nicht mehr ausreichend. Erneuerbare Erzeugung wird immer stärker abgeregelt, da sie am falschen Ort und zur falschen Zeit geschieht. Da hilft auch der Netzausbau allein schon lange nicht mehr. Daher sind Energiespeichertechnologien unerlässlich, um die benötigte Flexibilität und Stabilität des zunehmend erneuerbaren Energiesystems sicherzustellen. Diese Erkenntnis scheint nun endlich in der breiten Politik angekommen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat im Dezember seine Stromspeicherstrategie vorgestellt, die auch im BVES als gute Grundlage für den weiteren Diskurs angesehen wird. Die kürzlich vorgestellten Langfristszenarien des BMWK sind indes aus der Speicherbranche durchaus kritisch kommentiert worden. Wie bewerten Sie die Perspektiven, die von der Bundesregierung für Speicher aufgezeigt werden?

Leider ist die gerade begrüßte politische Erkenntnis noch nicht unbedingt in den Verwaltungs- und Regierungsmittelbau durchgedrungen. Hier wird weiterhin viel zu oft nach dem Motto verfahren: „Das haben wir doch noch nie gemacht!” und der Schuster bleibt eben lieber bei seinen Leisten. Das zeigt sich sehr bei den Langfristszenarien. Die Realität beim Ausbau der Speicher wird einfach ausgeblendet. Hinzu kommt fehlendes technisches Verständnis, so werden Speicher mal schnell mit falschen Leistungs-/Kapazitätsquotienten deutlich verteuert und in ihren Effekten für das Energiesystem marginalisiert. Da muss man schon sehr bewusst die aktuellen Meldungen zum Speicherausbau ignorieren, um zu solchen Ergebnissen zu kommen.

Relevanz von Wärmespeichern in Wärmenetzen wird zunehmend erkannt

Positiv ist dagegen die Hervorhebung der Relevanz von Wärmespeichern in Wärmenetzen mit einem Ausbaupfad von bis zu 600 GWh bis 2025, auch wenn die saisonale Speicherung leider weiterhin nicht betrachtet wurde. Als BVES stehen wir im Austausch mit dem Ministerium und den zuständigen Gremien und arbeiten daran, dass die Szenarien und auch weitere Prozesse im Ministerium endlich realitätsnäher ausgestaltet werden um die Rolle der Speicher verständlich zu machen.

In Deutschland hat vor allem das Heimspeichersegment eine beeindruckende Entwicklung hingelegt, die mit dem Ausbau von PV-Anlagen auf Hausdächern korreliert. International spielen große Co-Location-Speicher im unmittelbaren Umfeld von Solar- und Windparks eine viel größere Bedeutung. Woran liegt das nach Ihrer Wahrnehmung und welche weitere Entwicklung erwarten Sie hierzulande in den beiden Bereichen?

Mitte März stellen wir die neuen BVES-Branchenzahlen vor. Der Ausbau bei den Haushaltsspeichern geht sehr gut voran und wir rechnen bis Ende 2024 mit fast 2 Millionen Systemen. Die meisten dieser Speichersysteme arbeiten bereits sektorenübergreifend. Also Strom, Wärme, Mobilität aus einer Anlage. Gleichzeitig bedeutet das eine enorme Entlastung der Netze. Über zehn Prozent der deutschen Einfamilienhäuser versorgen sich also bereits weitgehend selbst.

In Deutschland werden Großbatterien noch als zusätzliche Belastung und nicht als Problemlöser eingeordnet

Co-Location Speicher, also Speicher an einer großen Wind- oder PV-Erzeugungsanlage, bedienen einen anderen Markt, der in Deutschland leider noch nicht wirklich erkannt und umgesetzt wird. Der einzige Weg, Großspeicher an großen EE-Erzeugungsanlagen in den Strommarkt zu integrieren, funktioniert in Deutschland nur über die sogenannten Innovationsausschreibungen. Das Segment ist jedoch klein und im Ausschreibungsdesign zudem deutlich verbesserungswürdig. In Spanien etwa bekommt man eine große PV-Anlage nur noch mit Speicher ans Netz angeschlossen, da dort der Speicher als Flexibilitätslieferant anerkannt ist. In Deutschland wird der Speicher dagegen noch als Problem und zusätzliche Belastung für das Netz eingeordnet und eben nicht als Problemlöser, was er ist. Mit der Stromspeicherstrategie ist jedoch das Thema Co-Location von EE und Speicher ermöglichen erstmals als Aufgabe gelistet.

Lithium-Ionen-Batterien sind aktuell die Technik der Wahl bei vielen Speicherprojekten, nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen. Die technologische Vielfalt der Energiespeicher geht aber weit über Batteriespeicher hinaus – und verschiedene Technologien haben unterschiedliche Vorzüge. Welche Technologien werden denn für die Transformation des Energiesystems besonders dringend benötigt und wie könnte man sich einen optimalen Mix an Speichertechnologien im Jahr 2030 vorstellen?

Die Technologie sollte immer der Anwendung folgen. Dann wird das Speicherprojekt am schnellsten wirtschaftlich. Derzeit erweisen sich Li-Ionen-Batterien aufgrund ihrer einfachen Skalierbarkeit, sinkender Kosten und hohen Wirkungsgrade als beliebte Lösung für die Systemdienstleistung im Netz, auch und gerade, da sie sehr schnell und exakt auf Anforderungen reagieren können. Zudem gibt es mittlerweile breite Erfahrung mit der Technologie. Breiter und deutlich länger sind jedoch die Erfahrungen etwa mit Pumpspeichern. Immer noch die einzige wirkliche Großspeichertechnologie für Strom im weltweiten Einsatz. Daneben entwickeln sich auch weitere Technologien schnell vorwärts und drängen in die Märkte, etwa Natrium-Schwefel-, Zink- und Flow-Batterien. Je nach Anwendung, Aufstellungsort sowie gefordertem Leistungs/Kapazitäts-Verhältnis, kommen diese Technologien in den Einsatz.

Die Bundesregierung setzt stark auf die künftige Rolle von Wasserstoff aus Power-to-Gas Anlagen, um die Versorgungssicherheit in einem stark auf fluktuierend darbietenden PV- und Windenergieanlagen basierenden Energiesystem sicherzustellen. Wie schätzen Sie die Perspektiven von H2 als Speichertechnologie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ein?

Wasserstoff stellt eine wichtige Speichertechnologie dar, die verschiedene Anwendungen und Märkte bedienen kann, darunter etwa die Langzeitspeicherung. Zudem ist sie hoch bedeutend für die Dekarbonisierung bestimmter Industriezweige. Es ist von entscheidender Bedeutung, die rechtlichen Grundlagen für die spezifischen zukünftigen Anwendungen von Wasserstoff zu schaffen. Das erfolgt momentan noch nicht in der notwendigen Abgrenzung, sondern wird zu pauschal gehandhabt. Insbesondere auch mit Blick auf dezentrale Erzeugung sowie die dezentrale Nutzung von Wasserstoff. Generell ist auch Wasserstoff im Kontext des Grundsatzes zu sehen, die Technologie folgt der jeweiligen Anwendung. Wenn es nicht der Fall ist, gibt es teils hohe wirtschaftliche Reibungsverluste.

ContextCrew Neue Energie im Überblick

ContextCrew Neue Energie ist ein B2B-Brancheninformationsdienst, der die zentralen Trends und Entwicklungen rund um den Betrieb erneuerbarer Erzeugungsanlagen und Energiespeichern aufbereitet. Dabei richten wir uns an die Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Technologie über Planung und Errichtung von Anlagen, den Betrieb und der Vermarktung der erzeugten Energie bis hin zu Verwertung und/oder Rückbau von Anlagen.

  • Wöchentlich veröffentlichen wir eine kompakte Ausgabe – gedruckt oder online als „Flippingbook“, wobei das Flippingbook zugleich den sofortigen Zugriff auf eine Vielzahl von Originalquellen im Netz ermöglicht.
  • Wöchentlich erscheinen rund 50 Nachrichten, Berichte und Analysen, die digital first umgehend nach Abschluss der Recherchen online unter contextcrew.de veröffentlicht werden.
  • Im digitalen Raum werden tagesaktuelle Information unmittelbar in sachbezogene Kontexte eingebunden. Dazu dienen Formate wie Blickpunkte, Dossiers und der Link-Kompass.
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Welches sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Stellschrauben, die justiert werden müssen, damit Energiespeicher die Transformation des Energiesystems in Deutschland bestmöglich unterstützen können.

Richtig, es geht um die Transformation des gesamten Energiesystems und nicht nur um das Stromsystem. Um aber ein integriertes, auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem aufzubauen, ist es erforderlich, die Trennung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität zu überwinden.

Nahtlose und durchdachte Sektorenkopplung ermöglicht effiziente Nutzung Erneuerbarer

Eine nahtlose, gut durchdachte Sektorenkopplung ermöglicht eine effiziente und wirtschaftliche Nutzung erneuerbarer Energien sowie eine flexible und sichere Energieversorgung. Wenn grüner Strom die nahezu einzige Energiequelle sein wird, sollten wir uns endlich Gedanken dazu machen, wie der grüne Strom barrierefrei in die Zielsektoren Wärme und Mobilität fließen kann. Derzeit klingelt an den Sektorengrenzen jeweils das staatliche Zollhäuschen und verlangt Steuern und Abgaben für den verbrauchten Strom. So wird die Wärmewende deutlich verteuert. Hier müssen sich auch die physikalischen Notwendigkeiten stärker durchsetzen und so das politische Silodenken überwunden werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Windelen!

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