„Wo es möglich ist, ist das Repowern der Altanlagen der Königsweg.“ Das sagt Carsten Hoch, Projektleiter Repowering bei der MVV-Tochter juwi, mit Blick auf die Optionen von Windenergie-Anlagenbetreibern für die Post-EEG-Phase. Viele Altanlagen können im Zuge von Repowering durch wenige, leistungsstärkere Windräder ersetzt werden, die zudem ein Vielfaches an Ertrag liefern, führt Hoch im aktuellen juwi-Kundenmagazin aus. Im Schnitt erreicht der Ertrag nach Repowering das Fünffache der zuvor erzeugten Elektrizität. Aber nicht überall ist Repowering eine Option, weshalb Anlagenbetreiber auch Alternativen in Betracht ziehen müssen.
Ein wesentlicher Vorteil von Repowering liegt darin, dass etablierte Windstandorte genutzt werden können. Um für weitere 20 Jahre eine Garantievergütung zu erhalten, muss sich das Projekt nach Genehmigungserhalt allerdings zunächst im Bieterverfahren der Bundesnetzagentur durchsetzen. Und natürlich erreicht die Vergütung nicht das ursprüngliche Niveau der ersten Förderphase.
„Aktuell findet Repowering noch mit angezogener Handbremse statt“, sagt Hoch. Dies sei vor allem der Systematik des EEG-Ausschreibungsmodells geschuldet, das nicht mehr zwischen Greenfield- und Repowering-Vorhaben unterscheidet. Den Zuschlag erhält das wirtschaftlichste Projekt. „Deshalb ist die Motivation der Anlagenbetreiber aktuell hoch, Bestandsanlagen so lange wie möglich weiterlaufen zu lassen“, sagt er. Den nächsten großen Schub erwartet er für die Zeit nach 2021.
„Wichtig, jetzt zu prüfen, wie es mit den Projekten in Post-EEG-Phase weitergeht“
Anlagenbetreiber sollten bedenken, dass es auch bei Repowering-Projekten ähnliche Planungszeiten wie bei Greenfield-Projekten gibt, die bei drei Jahren, „tendenziell sogar eher vier bis fünf Jahren“ liegt. „Daher ist es wichtig, dass Anlagenbetreiber schon jetzt prüfen, wie es mit ihren Projekten nach dem Jahreswechsel 2020/21 weitergehen soll“, betont Hoch.
Doch selbst wenn der Wille zum Repowering vorhanden ist, der Anlagentausch ist längst nicht überall möglich. Ein Beispiel ist die Anlage der „ersten Stunde“ auf dem Kloppberg in Rheinhessen. Hier steht ein Nordex-Generator auf Gittermast-Turm mit 78 Meter Nabenhöhe. Der Rotordurchmesser liegt bei 43 Metern, die Ende der 1990er Jahre errichtete Anlage kommt auf eine Leistung von 600 kW. Die Entfernung zur nächsten Wohnbebauung beträgt lediglich wenige hundert Meter, der Tausch gegen moderne Anlagen der Fünf-Megawatt-Klasse ist daher unmöglich.
Abstandsregelungen: Mehr als die Hälfte der geeigneten Standorte fallen für Repowering weg
Viele Bundesländer haben inzwischen pauschale Abstandsregelungen zur nächstgelegenen Wohnbebauung eingeführt. Auch Rheinland-Pfalz. Projektvorhaben erreichen so schnell den Bereich der Unwirtschaftlichkeit. „Mehr als die Hälfte aller potenziell geeigneten Standorte der ersten Generation fallen dadurch weg“, erläutert Hoch. Hinzu kommen die ganz normalen Konflikte, die innerhalb der Projektplanung auftreten können: Schwierigkeiten mit dem Wetterradar, der Flugsicherung, dem Artenschutz. „Dadurch fallen weitere windhöffige Standorte ungenutzt weg“, kommentiert Hoch die aktuelle emissionsschutzrechtliche Genehmigungslage.
Direkt betroffen vom Auslaufen der Einspeisevergütung sind deutschlandweit rund 6.000 Anlagen mit gut 4.000 MW Leistung. Bis zum Jahr 2025 fallen im Durchschnitt weitere 2.300 bis 2.400 MW installierte Leistung jährlich aus der Vergütung. Wo ein Repowering nicht möglich ist, bleibt der Weiterbetrieb eine Option. „Grundsätzlich sind Windräder auf eine Betriebsdauer von 20 Jahren ausgelegt“, sagt Thomas Kretzschmar, Leiter Operations Wind beim juwi-Betriebsführungsunternehmen Operations & Maintenance. Unter technischen Gesichtspunkten könnten die Anlagen meist weiterbetrieben werden. „Sie müssen allerdings durch unabhängige technische Sachverständige überprüft werden“, betont der juwi-Experte. Geprüft wird gemäß den Vorgaben des Deutschen Instituts für Bautechnik. Der etablierte globale Standard DNVGL-SE-0263 ist die einzuhaltende Richtlinie für den Weiterbetrieb von Windenergie-Anlagen.
Wartung und Instandhaltung größter Kostenblock in der dritten Betriebsdekade
Den größten Kostenblock innerhalb der Gesamtbetriebskosten in der dritten Betriebsdekade stellen Aufwendungen für Wartung und Instandhaltung dar. Hinzu kommen Pachten und Nutzungsentgelte, die technische wie die kaufmännische Betriebsführung, Versicherungen, Aufwendungen im Zuge der Weiterbetriebserlaubnis, sonstige Kosten sowie eine Mindestrenditeerwartung, ohne die kein wirtschaftlicher Anreiz für den Weiterbetrieb bestünde. „Unterm Strich steht so ein Mindesteinnahmebedarf von drei bis fünf Cent je Kilowattstunde“, rechnet Kretzschmar vor. „Schäden an Großkomponenten lassen sich mit dieser Kostenkalkulation aber kaum refinanzieren.“ Das Stilllegen und der Abbau der Anlage wären die logischen Folgen.
Zusätzliche Kopfschmerzen bereitet den Betreibern vor diesem Hintergrund der Blick auf die zu erwartenden Erlöse aus dem Stromverkauf an der Börse. Diese liegen aktuell deutlich unterhalb der EEG-Vergütung. Für Betreiber steigt damit das finanzielle Risiko. „Zu hohe Betriebskosten oder ein Großkomponentenschaden können schnell zum wirtschaftlichen Totalausfall führen“, sagt Kretzschmar. Daher sei gerade der Weiterbetrieb ohne EEG-Vergütung mit zunehmendem Anlagenalter in den allermeisten Fällen nur auf begrenzte Zeit wirtschaftlich darstellbar. „Der aktuelle Marktwert für Windstrom lässt einen wirtschaftlichen Folgebetrieb inbesondere für Schwachwindstandorte kaum zu“, heißt es bei juwi.
Marktwert für Windstrom im Jahr 2017 im Schnitt nur bei 2,77 ct/kWh
Wie genau sich der Börsenstrompreis ab 2020 entwickeln wird, lasse sich naturgemäß nur schwer vorhersagen. „Selbst wenn er steigen sollte, wonach es aktuell aussieht, ist zu berücksichtigen, dass die Wertigkeit des Windstroms dennoch unterhalb des durchschnittlichen Börsenstrompreises liegen wird“, betont Burkhard Steinhausen, der Leiter der MVV-Direktvermarktung. Im Jahresmittel 2017 lag der Marktwert für Windstrom auch nur bei 2,77 ct/kWh. Die erforderlichen Erlösanforderungen für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb in der dritten Dekade in den kommenden Jahren würden damit „größtenteils nicht erreicht“. Es sei denn, externe Faktoren wie etwa CO2-Zertifikatskosten führten zu deutlich steigenden Strompreisen.
juwi/MVV: Direktvermarktung über professionellen Stromhändler senkt Risiken
„Damit Altanlagenbetreiber ihre Anlagen weiter wirtschaftlich betreiben können und nicht der Volatilität des Intraday-Handels oder Day-ahead-Handels an der Börse ausgesetzt sind, empfehlen wir daher die Direktvermarktung über einen erfahrenen Stromhändler“, so Steinhausen. Der Preis pro Kilowattstunde Windstrom wird dabei für einen bestimmten Zeitraum direkt zwischen Betreiber und Direktvermarkter ausgehandelt. Die Stromvermarktung erfolgt entweder indiziert am Börsenstrompreis oder über einen Garantiepreis, ergänzt durch eine Beteiligung an den Mehrerlösen. Bei Bedarf könne man im Falle von juwi/MVV auch eine Kombilösung mit Anlagenwartung zum Fixpreis und optimiertem Asset-Management-System anbieten.
Insgesamt hat die Post-EEG-Perspektive Bewegung in den Markt gebracht, heißt es weiter. Neue Geschäftsmodelle – vom Repowering über die Direktvermarktung bis hin zu Lösungen ganz auf Business-to-Business-Basis – sind entstanden. Der direkte Verkauf, die direkte Beschaffung und der Handel von Strom aus erneuerbaren Energien im Rahmen von Power Purchase Agreements (PPA) gäben „Hoffnung auf wirtschaftliche Lösungen außerhalb des EEG“.