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Welche Rolle können Herkunftsnachweise (HKN) für förderfreie erneuerbare Energien spielen?

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Nach einer aktuellen Analyse des Umweltbundesamts (UBA) ist eine Weiterentwicklung des Systems von Herkunftsnachweisen (HKN) auch mit Blick auf die Post-EEG-Phase sinnvoll. „Viele Akteure wünschen sich konkreter definierte Merkmale wie zum Beispiel die Herkunft von ausgeförderten EEG-Anlagen und teilerneuerten Kraftwerken“, heißt es in der kürzlich vorgelegten „Marktanalyse Ökostrom II“ des UBA. Mit Blick auf die zunehmende Durchdringung der Sektoren Mobilität und Wärme mit Ökostrom müsse ein „effizientes und wirtschaftliches Verfahren für Kleinstmengen aus kleinen Anlagen entwickelt werden.“

Herkunftsnachweise werden ausgestellt, wenn in Europa Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. In Deutschland werden vom UBA, das für die Verwaltung der HKN hierzulande verantwortlich zeichnet, Herkunftsnachweise nur auf Antrag ausgestellt – und für solche Anlagen, die keine Förderung nach dem EEG erhalten. Das UBA übernimmt Ausstellung, Übertragung und Entwertung von Herkunftsnachweise und stellt sicher, dass ein Herkunftsnachweis nur einmalig verwendet werden kann.

UBA: Markt für Herkunftsnachweise „funktioniert, ist aber hinsichtlich der Preisbildung unberechenbar“

Die Untersuchung des Marktes für Herkunftsnachweise (HKN) zeige ein funktionierendes Zusammenkommen von Angebot und Nachfrage. „Insgesamt ist der HKN-Markt von stabilen Handelsbeziehungen zwischen Akteuren gekennzeichnet, die sich in der Regel kennen“, schreibt das UBA. Die Beschaffungsstrategien variierten vor allem bei der Größe und Qualität der zu beschaffenden Mengen.

Angebot und Nachfrage am europäischen HKN-Markt (Quelle: ECOHZ)

Für die Nachfrageseite bestehe jedoch keine (kostenlos verfügbare) Transparenz bzgl. der Preise und Preisbildungsmechanismen, wie sie z.B. aus dem Stromspotmarkt bekannt ist. Die Analyse ergab, dass sich die Preise anhand des Alters und des Herkunftslandes der HKN differenzieren. Dabei gilt die skandinavische Wasserkraft als Basisprodukt: Deren Preise schwankten im Jahr 2018 wetterbedingt für die Lieferjahre 2019 und 2020 zwischen 0,5 €/MWh und knapp 2,5 €/MWh. Gegen Ende des Jahres und im weiteren Verlauf des Jahres 2019 hat sich deren Preis auf deutlich unter 1,0 €/MWh reduziert. Für HKN aus Neuanlagen betrugen die Preise bis zu 4,0 €/MWh, berichtet das UBA.

Neuanlagen spielen bei HKN-Vermarktung untergeordnete Rolle

Die in Deutschland entwerteten Mengen an HKN stammen seit 2013 annähernd zur Hälfte aus Norwegen und zu über 90 Prozent aus Wasserkraft. Im Jahr 2017 nahm der Anteil aus Wasserkraft zugunsten anderer Energieträger wie Onshore-Windkraft und Biomasse leicht ab – eine Analyse für das Jahr 2018 liegt noch nicht vor. Nur 9 Prozent der gesamten Entwertungsmenge 2017 stammten aus europäischen Anlagen, die eine Vergütung bzw. Förderung in Anspruch nehmen. Der Anteil an HKN aus Neuanlagen, die jünger als 6 Jahre sind, ist mit 5 Prozent im Berichtsjahr 2017 gering; betrachtet man nur die nicht-geförderten Anlagen, sind es nur 1,5 Prozent der HKN.

Angebot an HKN steigt europaweit auf knapp 600 TWh

In Europa steigen ausgestellte und entwertete Mengen kontinuierlich an. Nach Analysen des norwegischen Energiemarktdienstleisters Ecohz, der die Statistiken der Association of Issuing Bodies (AIB) ausgewertet hat, erreichte das Angebot an HKN im Jahr 2018 knapp 600 TWh, die Nachfrage überstieg 500 TWh. Vergleicht man Angebot und Nachfrage im ersten Halbjahr 2019, zeige sich, dass beide Größen sich zunehmend annähern. So sei das Angebot um 14 TWh gewachsen, während die Nachfrage mit 60 TWh deutlich schneller zulegte. Die AIB als Dachorganisation der nationalen Emittenten von Herkunftsnachweisen – wie dem UBA in Deutschland – hat derzeit 21 Mitgliedsländer, Portugal und Griechenland haben laut Ecohz bereits ihr Interesse an der Teilnahme bekundet.

Das UBA verweist auf eine nicht unerhebliche Menge an nicht aktivierten HKN. „Es besteht eine große Menge von ca. 200 TWh an EE-Strom, für die HKN ausgestellt werden könnten, die Betreiber jedoch darauf derzeit verzichten.“ Damit könnte eine gut 30-prozentige Nachfragesteigerung ohne weiteren Zubau von Erzeugungsanlagen gedeckt werden.

Bedarf an differenzierten HKN für Kleinstmengen wächst auch durch Elektromobilität

Angesichts der neuen Herausforderungen von dezentraler Energiewende und Sektorkopplung sieht das UBA beim System der Herkunftsnachweise Optimierungspotenzial. Derzeitiger Hauptzweck der HKN bleibe die korrekte Nachvollziehbarkeit der Lieferung des EE-Stroms und der Ausschluss der Doppelvermarktung. Perspektivisch seien weitere Funktionen denkbar. „Insbesondere in der E-Mobilität muss Ökostrom sauber nachgewiesen werden, da die Idee der E-Mobilität nur mit Ökostrom einen ökologischen Vorteil entfaltet“, heißt es in der UBA-Analyse weiter.

Die vollständige Analyse des Umweltbundesamts finden Sie hier: Marktanalyse Ökostrom II.

Inwieweit neue Technologien, wie z.B. die Blockchain, in Zukunft Veränderungen am HKN-System mit sich bringen „oder es gar überflüssig machen können“, sei aus heutiger Sicht „sehr fraglich“, fügt das UBA an. Zwar sollte detaillierter geprüft werden, inwiefern mit digitalisierten Methoden, insbesondere der Blockchain-Technologie, die Ausstellung, Übertragung und Entwertung von Herkunftsnachweisen automatisiert und kostenminimal auch für Mengen unter 1.000 kWh abgewickelt werden kann, merkt das Umweltbundesamt an. „Nach Durchsicht der bisher zu diesem Thema publizierten Vorschläge ergeben sich noch keine eindeutigen Vorteile der Blockchain in Bezug auf eine effizientere Abwicklung.“

„Konnten keinen Vorteil erkennen, das bisherige Herkunftsnachweissystem durch Blockchains abzulösen“

Zwar erscheine „technisch vieles möglich“, insbesondere die Handhabung kleiner Mengen, jedoch erforderten die vielen verschiedenen Anwendungsfälle und Attribute auf den Herkunftsnachweisen eine sorgfältige Prüfung, ob mittels Blockchain Transaktionskosten eingespart werden können. „Darüber hinaus haben wir keinen Vorteil erkennen können, das bisherige Herkunftsnachweissystem mittels einer vollständigen Umstellung auf Blockchains abzuschaffen.“

Die „politisch relevanteste Frage“ ist laut UBA die nach einem möglichen Beitrag der Erlöse aus dem Verkauf von Herkunftsnachweisen für die Finanzierung und/oder Beschleunigung der Energiewende. „Mit der absehbaren Zunahme von Anlagen, die auch in Deutschland ohne eine EEG-Vergütung errichtet werden, könnte deren Vermarktung als Ökostrom zu einem relevanten Element des Finanzierungskonzepts von neuen EE-Anlagen werden.“ Das bisher „nur in sehr bescheidenem Maß“ erreichte Ziel einiger Ökostromsiegel, mit dem Bezug von Ökostrom die Errichtung neuer Anlagen anzureizen, könnte sich somit in den kommenden Jahren gegebenenfalls erfüllen.

Einnahmen aus HKN-Vermarktung haben aktuell eher Stellenwert eines Mitnahmeeffekts

Aktuell hätten die Einnahmen aus der Vermarktung von HKN eher den Stellenwert eines ‚Mitnahmeeffekts’, der zur finanziellen Risikominimierung beitrage, ohne jedoch ausschlaggebend für die Investitionsentscheidung zu sein. Dies könnte sich ändern, falls HKN ein hohes und stabileres Preisniveau erreichen sollten, das z.B. im Rahmen langfristiger Lieferverträge zu einem relativ verlässlich kalkulierbaren Erlösbestandteil werden könnte.

Akteure, die das UBA im Zuge der Marktanalyse befragt hat, äußerten, dass HKN keine Investitionen in neue Anlagen anstießen, aber die Erlöse aus HKN „durchaus mit einkalkuliert würden“, da ein wirtschaftlicher Betrieb neuer Wasserkraftwerke angesichts der aktuell niedrigen Großhandelspreise nicht möglich wäre. Andere Kraftwerksbetreiber vertraten laut UBA die Position, dass weiterhin allein die rechtlichen/politischen Rahmenbedingungen und die jeweilige Unternehmensstrategie für In-vestitionsentscheidungen ausschlaggebend seien.

„Preise für HKN zu niedrig und zu volatil, um darauf langfristige Investitionsentscheidungen zu stützen“

Die Preise für HKN seien insgesamt auch in Zukunft zu niedrig und zu volatil, um darauf langfristige Investitionsentscheidungen zu stützen. Selbst Investitionen in Erneuerung oder Kapazitätserweiterung von Wasserkraftwerken seien angesichts der Volatilität der HKN-Preise kaum auf die Erlöserwartungen aus HKN-Verkäufen zu stützen, wie von skandinavischen Anlagenbetreibern erläutert wurde.

„Die Befragung der Akteure führt zu einem Resümee, welches sich als These wie folgt formulieren lässt: Erlöse aus HKN liefern noch keinen auskömmlichen Umsatz, um einen Impuls für eine Investition auszulösen, mindern aber im besten Fall das Finanzierungsrisiko der Betreiber und Banken“, schreibt das UBA. Für diese These spreche der geringe Anteil der Erlöse aus HKN-Verkäufen am Gesamterlös aus dem Stromverkauf. „Daran wird sich in näherer Zukunft nichts ändern.“ Selbst bei Annahme steigender HKN-Preise wären diese nicht auskömmlich für einen nicht-geförderten Ausbaupfad zur Erreichung der Ausbauziele in Deutschland. „Vielmehr ist der Anstieg der Großhandelspreise für Strom bei gleichzeitigem Sinken der Gestehungskosten der entscheidende Faktor für die Höhe des zukünftigen Förderbedarfs bzw. der Refinanzierung unter marktlichen Rahmenbedingungen.“

PPA & Co.: Nicht-geförderte Neuanlagen könnten ihre Rolle als wertvollste HKN-Kategorie ausbauen

Übersteigt der Erlös am Großhandelsmarkt in Kombination mit dem zu erwartenden Erlös aus dem Verkauf der HKN die Marktprämie, wird die sonstige Direktvermarktung angereizt. Somit würden dem Markt weitere HKN angeboten, was wiederum zu sinkenden Preisen führen würde. Aktuell ist der Anteil an HKN aus sonstiger Direktvermarktung mit 4,9 Prozent gegenwärtig sehr gering.

In drei Fällen könnten Anlagenbetreiber ohne EEG-Vergütung kalkulieren. Dies betreffe erstens EEG-Anlagen, die in Ausschreibungen einen Zuschlag auf ein Gebot mit 0 ct/kWh erhalten, und zweitens Anlagen mit Anspruch auf eine EEG-Förderung, bei denen der Betreiber auf diese zeitweise oder langfristig freiwillig verzichtet, da er in der sonstigen Direktvermarktung höhere Erlöse erzielen kann als mit der Marktprämie. Den dritten Fall stellen Anlagen dar, die auf die Teilnahme am EEG verzichten und sich vollständig auf der Basis langfristiger Abnahmeverträge (PPA) refinanzieren. Auch wenn PPA und Null-Cent-Gebote noch lange nicht zum Alltag der Energiewende gehörten, sollten solche Modelle in Zukunft zunehmen, „womit auch die entsprechenden Herkunftsnachweise eine eigene Qualitätskategorie begründen können“, heißt es in der Analyse. „Nicht-geförderte Neuanlagen könnten daher im HKN-Markt ihre Rolle als wertvollste Kategorie ausbauen.“

„Gegenstand intensiver Diskussion, welche Erlöse Post-EEG-Anlagen für wirtschaftlichen Betrieb benötigen

Und wie sieht es aus für Bestandsanlagen, die ausfinanziert sind und das Ende der EEG-Förderung erreicht haben? Anlagen, die nach 20 Jahren (zzgl. dem Jahr der Inbetriebnahme) aus der EEG-Förderung herausfallen, haben Anspruch auf Erzeugung von Herkunftsnachweisen. „Es ist Gegenstand intensiver Diskussion, welche Höhe an Erlösen sogenannte Post-EEG-Anlagen für einen wirtschaftlichen Betrieb benötigen“, betont das UBA.

Bisher hätten vor allem Untersuchungen von Verbänden oder Einrichtungen, die im Wesentlichen die Interessen der betroffenen Windanlagenbetreiber repräsentieren, die Debatte dominiert. „Viele Betreiber versprechen sich einen Zusatzerlös über die Vermarktung ihres Stroms als Ökostrom.“ Zahlreiche Ökostromanbieter und Stadtwerke hätten Interesse geäußert, dieses Anlagensegment ab 2021 stärker zu nutzen, z.B. für die Gestaltung von Regionaltarifen.

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